Armenien 25 Jahre nach Beben ohne Hoffnung

Heute vor 25 Jahren hat ein Erdbeben in der Armenien 25.000 Menschenleben gefordert. Doch immer noch sind die Folgen für die Überlebenden dramatisch. 4.500 Menschen in der Gegend um Spitak und Gjumri, dem ehemaligen Leninakan, leben bis heute in Containern oder in einsturzgefährdeten Häusern. Unmittelbar nach dem Erdbeben war damals die internationale Hilfsbereitschaft groß - doch sie hat zu kurz gegriffen.

Mittagsjournal, 7.12.2013

  • Container, in denen Menschen wohnen

    (c) Rotes Kreuz, Marecek

  • Greta

    Greta ist eine der Frauen, die noch immer im Container lebt.

    (c) Rotes Kreuz, Marecek

  • Rot-Kreuz-Verantwortlichen vor einem Container

    Ein Rot-Kreuz-Verantwortlicher vor einem Container

    (c) Rotes Kreuz, Marecek

  • Bub vor Container

    Gretas Enkel

    (c) Rotes Kreuz, Marecek

  • Männer im Wald

    Rot-Kreuz-Übung

    (c) Rotes Kreuz, Marecek

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Vom Schock nie erholt

Durch eine Blechtür kommt man in einen der beiden Container, in denen die Familie von Greta Chomayan wohnt. Ihr Wohn- und Schlafraum ist eine Art Wohnwagen - seit 22 Jahren. Zwei Einzelbetten und ein Doppelbett stehen darin. Sieben Personen schlafen hier auf engstem Raum, vier Kinder und drei Erwachsene. Eine der Folgen des Erdbebens vor genau 25 Jahren, dessen Dramatik Greta als Schulsekretärin miterlebt hat: "Meine Tochter ist beim Erdbeben aus dem dritten Stock des Schulgebäudes gesprungen, um sich zu retten. Sie war schwer verletzt. Meine anderen Kinder sind aus der zerstörten Wohnung gerettet worden, eines war eingeklemmt, zwei haben sich unter der Stiege versteckt."

Vom Schock, aber auch von den Folgen des Bebens hat sich die heute 58-jährige Großmutter nicht erholt. Während für andere Familien neue kleine Häuschen gebaut wurden - vom armenischen Staat und von internationalen Organisationen finanziert, ist ihre Familie leer ausgegangen. Nicht einmal einen richtigen Ofen gibt es in dem nur aus Holz, Plastik und Metall gefertigten dünnwandigen Container. "Wir hätten halt gerne, dass es genug Essen für die Kinder gibt und Wärme, damit sie nicht krank werden. Sie haben auch keine Winterschuhe."

Dreifache Katastrophe

Dabei erreichen die Temperaturen im Winter minus 30 Grad. Wie viele hier in Armenien findet auch Greta: "In den Sowjet Zeiten war alles einfacher. Wir hatten Arbeit, Wohnung und Geld für Essen. Jetzt ist alles so teuer."

Max Santner, Auslandshilfechef beim österreichischen Roten Kreuz analysiert: Das Erdbeben in der Region Lori sei zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt gekommen, es sei eine dreifache Katastrophe gewesen: "Damals ist die Sowjetunion zusammengebrochen, es hat den Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien gegeben. Man hat keine Ressourcen für einen ordentlichen Wiederaufbau gehabt." Die Armut in der Erdbebenregion liege bei 70 Prozent.

Ein Beitrag zur Hilfe für Erdbebenopfer war das Österreicher-Dorf von Rotem Kreuz, Kurier und Porr für mehr als 500 Familien. In einem der ebenerdigen Bungalows lebt Kayane Ogosyan, wie viele Erdbebenopfer würde sie in einem höheren Haus nicht mehr leben wollen: "Ich war im dritten Stock und bin unter den Trümmern begraben worden. Durch meine Wirbelsäulenverletzung bin ich jetzt schwer gehbehindert und habe fast zehn Operationen hinter mir." Arbeiten kann die Frau nicht mehr, sie wird von ihrer Tochter betreut, die Sozialleistungen im wirtschaftspolitisch isolierten Armenien sind minimal, von nur 40 Dollar Behindertenpension im Monat spricht Kayane.

Ständig Angst

Die Menschen hier an der geologischen Störzone im Kaukasus leben aber auch mit der Angst vor neuerlichen Erdbeben. Bergungsübung mit dem Roten Kreuz: Ein schwer Betonblock wird mit nagelneuen Seilen und Karabinern aus Österreich weggezogen - die Übungsannahme: Darunter liegt eine verschüttete Person. Rot-Kreuz-Direktor Vladimir Karagyan (Karadschan) sagt, es könnte sein, dass diese Ausrüstung benötigt wird, denn: "Meine Stadt Vanazor ist ein Hochrisiko-Gebiet, wir haben noch 480 beschädigte Gebäude mit starken Rissen in Wänden und Fundament. Ich selbst wohne mit meiner Familie jetzt wieder in so einem Haus. Weiter im Container zu leben, war einfach nicht mehr auszuhalten, wir waren zu oft krank." Doch selbst ein leichtes Erdbeben könnte die vor 25 Jahren beschädigten Häuser zum Einsturz bringen.

Spenden für den Südkaukasus

Rotes Kreuz