Chodorkowski: Genscher vermittelte

Der russische Regierungskritiker Michael Chodorkowski wurde gestern überraschend freigelassen und reiste sofort nach Deutschland aus. Der ehemalige Ölmagnat und Putin-Gegner hatte zehn Jahre in russischer Lagerhaft verbracht - wegen Steuerhinterziehung. Am Donnerstag begnadigte ihn der russische Präsident Wladimir Putin ganz unerwartet. Erst jetzt wird klar, wie wichtig die Rolle des früheren deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher war.

Morgenjournal, 21.12.2013

Aus Berlin berichtet

Genscher: "Wichtiges Signal"

Der russische Kremlkritiker Michail Chodorkowski ist frei. Der 50-Jährige wurde gestern nach zehn Jahren Straflager aus der Haft entlassen und reiste nach Berlin. Der ehemalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher nahm ihn am Nachmittag am Flughafen Berlin-Schönefeld in Empfang.

"Ich habe im Auto, obwohl ich kein Russisch verstehe, die Gespräche mit seinen Familienangehörigen (telefonisch, Anm.) miterlebt. Das war schon anrührend", sagt Genscher gestern in einem Interview mit dem deutschen Fernsehsender ARD. "Man kann das gut verstehen nach den zehn Jahren, die er durchzustehen hatte. Umso mehr möchte ich bei dieser Gelegenheit sagen, dass ich sehr dankbar bin für diesen Gnadenakt des russischen Präsidenten. Das ist ein wichtiges Signal."

Heute Treffen mit Familie?

Auf die Frage, ob das so kurz vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi bloß eine Inszenierung gewesen sei, um die Welt mit Putin zu versöhnen, antwortete Genscher diplomatisch mit "Nein". Wichtig sei das Ergebnis, und das sei, dass ein Mensch, der zehn Jahre lang inhaftiert war, frei ist. "Dass das erreicht werden konnte, erfüllt mich mit großer Befriedigung, aber auch mit großer Dankbarkeit", so Genscher.

Chodorkowskis Pläne sind unklar. Es gibt Spekulationen, wonach es den ehemaligen Millionär in die Schweiz oder nach London ziehe. Für ein Jahr hat er jedenfalls eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland. Heute könnte Chodorkowski seine Familie treffen.