Krebstherapie: Vorwurf der Geschäftemacherei
Welcher Arzt darf in Österreich welche Therapie anbieten? Anlass für diese Frage ist ein Fall, über den die ORF-Sendung "Bürgeranwalt" heute Abend berichtet. Eine Krebspatientin bekommt die Diagnose unheilbar und sucht Hilfe bei einem Allgemeinmediziner in Wien. Er behandelt sie mit wissenschaftlich umstrittenen Therapien, sie bezahlt dafür knapp 80.000 Euro - und stirbt dennoch nach einiger Zeit. Der Ehemann und die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz erheben nun schwere Vorwürfe gegen den Arzt.
8. April 2017, 21:58
80.000 Euro für wirkungslose Therapie
Eine Frau erkrankt an Brustkrebs, ihre Ärzte teilen ihr mit, dass sie nicht geheilt werden kann. Daraufhin wendet sie sich an den Arzt Ralf Kleef. Er bietet ihr Therapien an, für die sie insgesamt knapp 80.000 Euro bezahlt. Laut Patientenanwältin Sigrid Pilz waren das Therapien ohne Nutzen: "Er hat im Rahmen dieser Therapie Maßnahmen gesetzt, die von der Schulmedizin als nicht zielführend und auch nicht als Stand der Wissenschaft anerkannt sind. Die Patientin – so hat das unser Vertrauensarzt festgestellt – hat aber die palliative Versorgung, die sie wirklich gebraucht hat, nicht bekommen."
Das weist Ralf Kleef in einem Brief zurück. Er habe die Patientin sehr wohl palliativ unterstützt. Die Patientenanwältin kritisiert vor allem, dass bei der Brustkrebspatientin eine Hyperthermie-Behandlung angewendet wurde, bei der die Körpertemperatur künstlich erhöht wird, damit bösartige Tumore nicht weiter wachsen. Bei dieser Methode sei in der Fachwelt nicht bewiesen, dass sie bei Krebserkrankungen wirksam wäre, sagt Pilz, gleichwohl habe sie der Arzt häufig angewendet und auch verrechnet.
Arzt soll Heilung versprochen haben
Sigrid Pilz beruft sich auf eine Studie des Ludwig-Boltzmann-Instituts, nach der seit 25 Jahren alle Studien zum Ergebnis kommen, dass Hyperthermie keinen Nutzen für Krebspatienten hat. Auch das weist der Arzt zurück. Genau für diese Einschätzung werde das Ludwig Boltzmann-Institut international kritisiert, sagt Kleef: "Dieses Institut spricht der Hyperthermie die Wirksamkeit ab. Genau diese Analyse ist international Gegenstand heftigster Kritik aller renommierten Hyperthermie-Forscher dieser Welt geworden. Von Amerika über Rotterdam bis München wurde dem Ludwig-Boltzmann-Institut zurecht vorgeworfen, dass diese Kritik so überhaupt nicht haltbar ist."
Aber Ralf Kleef habe der Patientin Heilung versprochen, obwohl das aussichtslos war, kritisiert die Patientenanwältin. Stimmt nicht, kontert der Arzt. Die Patientin habe die Therapien gewollt, sie wollte nicht über einen möglichen Tod sprechen. "Sie war dazu nicht bereit. Einen solchen Wunsch müssen Ärzte akzeptieren. Wir können nicht einfach in die Patienten reinfahren. Ich habe ihr auch nie eine Heilung versprochen, sondern ich habe ihr gesagt, dass wir versuchen, eine individualisierte, niedrigdosiertere Chemotherapie in Kombination mit Hyperthermie durchzuführen. Das wurde mit der Patientin immer wieder, auch in Gegenwart ihres Ehemannes, ausführlich besprochen", so Kleef.
Ehemann verschuldete sich
Tatsache ist, der Ehemann der Frau hat sich verschuldet, um die Therapien zu bezahlen. Verantwortung dafür trägt auch der Arzt, wirft ihm die Patientenanwältin vor. Ralf Kleef weist auch das zurück: Alle Patienten würden über die Kosten aufgeklärt: "Jede Therapie wird von ausführlichen schriftlichen Einverständniserklärungen begleitet. Ein großer Teil unserer Zeit besteht darin, die Patienten umfassend über die gesamten geplanten Diagnose- und Therapiemethoden inklusive der damit verbundenen Kosten aufzuklären."
Die Patientin verstarb im Oktober 2012. Der Streit zwischen Ehemann und Arzt wird wohl noch andauern.
Nachträglicher Hinweis
Der Ursprungsartikel bezog sich auf das Ö1 Mittagsjournal vom 21. Dezember 2013. Mittlerweile, April 2018, ist in dieser Angelegenheit eine Entscheidung der Disziplinarkommission der Österreichischen Ärztekammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland ergangen. Das Disziplinarverfahren wurde eingestellt, die Kommission hält dazu fest: "Dr. Kleef ist es offenbar gelungen, die Lebensqualität der Patientin durch einige Monate zu steigern. Die Patientin, eine Biochemikerin, war über die Durchführung der Therapie(n) und eine mögliche Erfolglosigkeit aufgeklärt worden und hatte ihre Einwilligung erteilt, auch in Bezug auf die damit verbundene finanzielle Belastung. Im Zuge der Behandlung wurde die Patientin vom Disziplinarbeschuldigten onkologisch palliativ betreut."