Zwei blinde Richter am Verwaltungsgericht

Lange wurden in Österreich Bewerbungen von blinden Richtern abgelehnt, mit der Begründung, Blinde seien durch ihre Behinderung in ihrer Richterarbeit beeinträchtigt. Das Kriterium der körperlichen Eignung wurde 2006 gestrichen. Doch erst jetzt kommen tatsächlich blinde Richter zum Zug: Ab Jänner werden erstmals in Österreich zwei blinde Richter tätig sein. Und zwar am neu geschaffenen Bundesverwaltungsgericht in Wien-Erdberg.

Morgenjournal, 23.12.2013

Bauer, Beamter, Richter

Wie alle anderen Richter auch hat der blinde Jurist Gerhard Höllerer ein Auswahlverfahren durchlaufen. Für einen blinden Richter sei es jetzt Zeit geworden, meint der Niederösterreicher. Auch mit seiner Sehbehinderung könne er den Richterberuf ausüben. Das frühere Hauptargument dagegen, der Augenschein, werde nur sehr selten von Richtern selbst durchgeführt. Das machten hauptsächlich Sachverständige, so Gerhard Höllerer. Elektronische Akten und Sprachausgaben haben inzwischen in allen Büros Einzug gehalten. Das war nicht immer so.

Gerhard Höllerer war 26 Jahre im Wissenschaftsministerium tätig und zuletzt stellvertretender Leiter der Ombudsstelle für Studierende. Ursprünglich hatte er beruflich andere Pläne und wollte Landwirt werden. Ein Unfall bewog ihn zur Neuorientierung. Der neue Richter hat als Kanzleikraft begonnen und Schreibarbeiten erledigt. Gesetzestexte seien immer wichtig gewesen im öffentlichen Dienst, da habe er "die Liebe zum Recht entdeckt". Und bald hat Gerhard Höllerer begonnen sich weiterzubilden, neben dem Beruf Jus studiert.

Hoffnung auf Vorbildwirkung

Beim Bundesverwaltungsgericht wird Gerhard Höllerer im Sozialbereich tätig sein und zum Beispiel Beeinspruchungen bei Arbeitslosengeld, sozialen Entschädigungen, Impfschäden oder die Einstufung bei Behinderten prüfen. Das neue Gericht sei aber keine Fahndungsstelle, sondern prüfe als erste Berufungsinstanz Fälle von "Bescheidbeschwerden", erklärt Gerhard Höllerer. Er hofft, dass seine Bestellung als Richter Vorbildwirkung hat und künftig Menschen mit Sehbehinderung in allen Bereichen der Rechtsprechung eingesetzt werden, sowie es zum Beispiel in Deutschland bereits Usus ist.

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