Vorzugsstimmen: Neue Reform geplant
Die neue Regierung will das System der Vorzugsstimmen bei Wahlen neuerlich reformieren. Das ist vor allem ein Eingeständnis, dass die letzte Reform vom Frühjahr 2013 ein Flop war. Es hat bei der Nationalratswahl keinen Effekt gehabt. Ein großer Fortschritt wird wohl auch der neue Reformanlauf nicht sein. Denn die Parteizentralen wollen nicht die Bürger entscheiden lassen, wen sie ins Parlament schicken.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 2.1.2014
"Tastende" Parteien
Außenminister Sebastian Kurz von der ÖVP war bei der Nationalratswahl Vorzugsstimmen-Kaiser, doch mit seinen 35.700 Vorzugsstimmen ist er nicht einmal in die Nähe der knapp 80.000 Stimmen gekommen, die ein ÖVP-Kandidat für die Vorreihung auf der Bundesliste gebraucht hätte. Das sind sieben Prozent der Parteistimmen, künftig sollen es - auch bei der Europawahl im Mai - fünf Prozent sein. Auch an dieser Hürde - gut 56.000 Stimmen - wäre Kurz gescheitert. Gar nicht zu reden von jenen Kandidaten, die mit Vorzugsstimmen vergeblich um ein Mandat gekämpft haben. Kurz hatte seines ja sicher. Der Wahlrechtsexperte Klaus Poier dazu: "Die Politiker wollen sich hier ein bisschen herantasten, sie wollen die Listen nicht völlig öffnen und den Wählern überlassen. Daher senkt man das nur schrittweise, um zu sehen, was für Auswirkungen hat das in der Praxis. Dass man sich aus Sicht der Bürger stärkere Maßnahmen erwartet hat, das ist richtig, aber ich denke, man sollte jetzt auch einmal den kleinen Schritt anerkennen." Poier hofft, dass durch noch einmal niedrigere Hürden auf allen Ebenen die Bereitschaft steigt, überhaupt Vorzugsstimmen zu vergeben.
ÖVP wollte mehr
Mehr als dieser Kompromiss sei in den Koalitionsverhandlungen nicht drinnen gewesen, sagt ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl: "Die Einigung mit der SPÖ ist die Senkung dieser Hürde der Vorzugsstimmen. Ich kann mir auch noch weitere Wege vorstellen. Aber da brauchen wir Zustimmung von anderen Parteien." Gerstl verweist auf das Südtiroler Modell, wo ausschließlich die Wähler durch ihre Vorzugsstimmen bestimmen, wer ein Mandat bekommt. In Niederösterreich macht die ÖVP das auch so - in den regionalen Wahlkreisen, aber nicht auf Landesebene. Gerstl: "Das ist ein klarer und mutiger Schritt. Auf Bundesebene können wir das nicht alleine entscheiden, und daher ist der Schritt noch nicht ganz so weit."
Wenn es nach SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann geht, wird es auch nie so weit sein. Wittmann verweist auf die Schattenseiten der Personalisierung: "Der Bürger hat sich auch für den Frank Stronach entschieden. Das ist dann irreversibel." Wittmann meint, das die geplante Vorzugsstimmen-Reform auf regionaler Ebene - wo Direktmandate vergeben werden - sehr wohl Effekte haben werde. Dass von den 183 Mandaten für den Nationalrat zuletzt nur 75 direkt vergeben worden sind, steht auf einem anderen Blatt. Will Wittmann das ändern? "Für die Nationalratsordnung haben wir ein bisserl Zeit, und warum sollten wir da nicht über etwas andere auch nachdenken", zeigt auch SPÖ-Mann plötzlich einen Reformeifer, der im taufrischen Koalitionspakt leider keine Deckung findet.