Indien: Premier kündigt Rückzug an

Der indische Ministerpräsident Manmohan Singh hat heute seinen politischen Rückzug angekündigt. Der 81-jährige Singh will auch im Fall eines Wahlsieges seiner Kongress-Partei nicht wieder Regierungschef werden. Sein Wunschnachfolger hat einen weltweit bekannten Namen.

Mittagsjournal, 3.1.2014

Statthalter macht Platz

Wie auch immer die Parlamentswahl im Mai ausgeht - Indien steht in jedem Fall ein Wechsel an der Regierungsspitze bevor. Denn Premierminister Manmohan Singh will nicht mehr, nach zehn Jahren. Auch wenn seine Kongresspartei siegt, werde er einige Monate nach der Parlamentswahl den Stab an einen neuen Regierungschef übergeben, erklärt Singh. Seinen Wunschnachfolger hat Manmohan Singh schon früher genannt. Der Mann trägt den weltweit bekannten Namen Gandhi: Der 43-jährige Rahul Gandhi ist der Sohn des ermordeten Premierministers Rajiv Gandhi und der derzeitigen Kongress-Parteichefin Sonia Gandhi und der Urenkel des Staatsgründers Jawaharlal Nehru.

Es ist in Indien ein offenes Geheimnis, dass Manmohan Singh all die Jahre lediglich als Statthalter für den neuen Spross der Gandhi-Dynastie fungiert hat. Jetzt soll Rahul Gandhi reif sein für das höchst Amt im Staat. Das scheint die Kongresspartei, oder besser gesagt, seine Mutter Sonia Gandhi als Parteichefin entschieden zu haben. Denn es besteht kein Zweifel, dass Sonia Gandhi die eigentliche politische Macht in Indien innehat.

Opposition legt zu

Aber ein Wahlsieg der Kongresspartei ist zumindest derzeit keineswegs sicher. In jüngsten Umfragen haben nämlich die Hindu-Nationalisten unter der Führung des umstrittene Politikers Narendra Modi deutlich zugelegt. Modi, der mit einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik punktet, soll die blutigen Ausschreitungen gegen Muslime im Jahr 2002 geschürt haben , bei denen hunderte Menschen umgekommen sind.

Es wäre ein Desaster für das Land, sollte Oppositionsführer Narendra Modi zum Premierminister gewählt werden, erklärt Singh mit ungewohnt harschen Worten. Er sei zuversichtlich und setze seine Hoffnung auf die junge Generation der politischen Führung, so der 81-jährige bei einer seltenen Pressekonferenz in Neu Delhi. Es war erst seine dritte in seiner Amtszeit als Premierminister. Auch die Zahl seiner Interviews hält sich in Grenzen , es waren weniger als ein Dutzend in den vergangenen neuneinhalb Jahren. Er lebt offenbar wie in einem Elfenbeinturm, zu gesellschaftspolitischen Ereignissen in seinem Land hat Singh nur selten Stellung genommen. Auch zu dem Skandal um die Vergewaltigung einer jungen Frau durch sechs Männer hat er tagelang schwiegen. Erst als es nach dem Tod der Studentin zu heftigen Protesten kommt, versucht er die Bevölkerung zu beruhigen.

Aber unbeliebt war Manmohan Singh nicht- trotz seiner zurückhaltenden Art. Er hat als promovierter Wirtschaftswissenschaftler Reformen durchgesetzt, schon als Finanzminister in den 90-er Jahren, damals liberalisierte er die staatlich gelenkte Wirtschaft. Außenpolitisch kam es in seiner Amtszeit zu einer ersten, wenn auch zaghaften Annäherung an den Erzfeind Pakistan. Und noch etwas: Manmohan Singh gilt als absolut integer, und das in einem Land, in dem Korruption zum Alltag gehört.