Soziales Elend in Griechenland

Griechenland eröffnet heute offiziell seine EU-Präsidentschaft für die nächsten sechs Monate. Und für die griechische Regierung soll dieses nächste halbe Jahr eine Wende nach der Wirtschaftskrise markieren. Von den Partnern der Euroländer erhofft sich Athen Erleichterung bei der Schuldrückzahlung. Die Menschen in Griechenland sehen das alles nüchterner. Bei Rekordarbeitslosigkeit von 27 Prozent und verbreiteter Verarmung spüren sie von der Besserung bisher nichts.

Morgenjournal, 8.1.2014

Ohne Hoffnung

Im Zentrum von Athen, dort wo heute der Beginn der griechischen EU-Präsidentschaft feierlich begangen werden soll. Die EU-Spitzen aus Brüssel sind angesagt, die griechische Regierung hat ein ganztägiges Demonstrationsverbot für das Stadtzentrum erlassen. Doch die Griechen, die bis vor kurzem teilweise gewaltsam gegen die von den Geldgebern der EU auferlegten Sparprogramme protestiert haben, scheinen ohnehin demonstrationsmüde: Das ist doch alles nur ein politisches Spiel, sagt ein junger Mann. Ich glaube nicht, dass das Griechenland etwas bringt. Europa nimmt das ja gar nicht ernst. Dass wir den Vorsitz haben, sehen die Europäer gar nicht gerne.

Griechenland weiterhin fest im Griff der Krise. Rekordarbeitslosigkeit von 27 Prozent, ein Drittel der Bevölkerung gilt als armutsgefährdet. Die Schuldigen sind schnell ausgemacht. Gleich nach den eigenen Politikern kommen die Europäer, die für ihre Hilfskredite den Sparzwang auferlegen.

Reva Halepi hatte bis vor einem halben Jahr einen sicher scheinenden Job als Schulwartin. Dann kam sie ins Stellenabbauprogramm im öffentlichen Dienst. Wenn für die 50-jährige nicht bald eine Verwendung gefunden wird, verliert sie im Februar die Arbeitslosenunterstützung: Vielleicht gibt es für Regierung Licht am Ende des Tunnels - nicht für die Menschen. Ich bin in einem Alter, wo man nicht mehr leicht Arbeit findet und habe gesundheitliche Probleme. Wie soll man ohne Einkommen überhaupt überleben? Es wäre der Abstieg aus der Mittelschicht, den schon viele durchgemacht haben.

In Perama, gleich am Hafen Piräus. Früher haben die meisten Bewohner Arbeit in den Hafenwerften gefunden. Jetzt liegt die Arbeitslosigkeit im Stadtteil bei 60 Prozent. Und Arbeitslosigkeit heißt oft Bedürftigkeit. Wer nach neun Monaten den Anspruch auf Arbeitslosengeld verliert, fliegt auch aus der Krankenversicherung. In Perama ist vor allem die Hilfsklinik der Ärzte der Welt gut besucht, wo heute Kinderärztin Liana Mailli Dienst hat - als Freiwillige und unentgeltlich: Ich war zwei Mal in Afrika für die Ärzte der Welt, aber jetzt glaube ich, dass wir hier gebraucht werden und dass wir auch andere dazu bringen müssen, als Freiwillige zu arbeiten.
Was die griechischen Ärzte ohne Grenzen bis vor wenigen Jahren in der Dritten Welt geleistet haben, wird jetzt zu Hause gebraucht.

All das wird bei der feierlichen Übernahme der EU-Präsidentschaft heute nur eine Nebenrolle spielen. Die griechische Regierung will in den nächsten sechs Monaten beweisen, dass sie als das Schmuddelkind der letzten Jahre die EU führen kann. Allerdings auch das mit einem Sparprogramm - der angeblich billigsten EU-Ratspräsidentschaft aller Zeiten.