Krimi von Massimo Carlotto
Die Marseille Connection
Der Titel - angelehnt an den mit mehreren Oscars gekrönten 1970er-Jahre-Film "French Connection" klingt nach Drogen, aber die Drogen sind nicht der einzige Stoff, der diese Geschichte vorantreibt.
8. April 2017, 21:58
Ein "Mann fürs Grobe"
Massimo Carlotto, Italiener des Jahrgangs 1956, als "Sympathisant der extremen Linken" in den 1970er Jahren "zu Unrecht wegen Mordes verurteilt" und inhaftiert gewesen - so die vom Verlag publizierte Kurzbiografie des Autors - ist heute einer der auch im deutschen Sprachraum bekanntesten italienischen Kriminalschriftsteller.
Carlotto, das ist vorneweg zu sagen, ist ein Autor, der nicht allzu viel von der sogenannten "feinen Klinge" hält, eher ein "Mann fürs Grobe", das hat er in seinen bisherigen Krimis und auch in seinen autobiografischen Büchern ausreichend bewiesen.
Der im Original 2012 erschienene und jetzt ins Deutsche übersetzte Roman fügt sich mehr oder minder nahtlos in dieses Bild ein. Es wird geschossen, es wird gefoltert, es wird gemordet - auf nahezu allen Kontinenten: von Russland über Asien und Afrika bis hin zu Südamerika und Europa.
Klein- und Großkriminelle von Marseille
Im Mittelpunkt des Geschehens steht nichts anderes als die reine Profitgier, basierend auf jenen Umsatz und Gewinn, der sich am schnellsten über Korruption und Wirtschaftskriminalität, über Drogen-, Waffen- und Organhandel erzielen lässt.
In der südfranzösischen Hafenstadt Marseille, dem Hauptschauplatz des Romans, findet sich eine fürs Erste unabhängig voneinander agierende und illustre Reihe von Klein- und Großkriminellen, von mehr oder minder gesetzeskonformen Staatshütern und -hüterinnen zusammen. Die wahre Hauptfigur in "Marseille Connection" ist eine lesbische Kriminalkommissarin, die einer Sondereinheit mit entsprechenden über das Gesetz hinausgehenden Sonderbefugnissen vorsteht.
"Bourdet, knallhart, hässlich und mit einer Schwäche für schöne Frauen" - so steht es im Klappentext des Tropen-Verlags - heuert einen gerade aus Paraguay entkommenen Drogendealer für verdeckte Ermittlungen im Milieu an. Der macht, was er am besten kann: Er baut sich sein eigenes Handelsimperium auf und gedenkt, seine Chefin - entschuldigen Sie die direkte Wortwahl - nach Strich und Faden zu verarschen.
Mord und Totschlag allerorts
Ebene zwei dieser Kriminalgeschichte ist ein Kreis ehemaliger Elitestudenten und Studentinnen, stammend aus Russland, der Schweiz, Italien und Indien, die sich schon damals an der Universität von Leeds, Fach: Wirtschaft, geschworen hatten, die Welt und vor allem ihr Geld mit allen, insbesondere illegalen Mitteln, zu erobern.
Während der Kommissarin Bourdet ihr südamerikanischer Zuträger und Lockspitzel zunehmend abhandenkommt und sie sich in den Bordellen Marseilles trösten lässt, tritt auch noch der russische Geheimdienst auf den Plan. Mord und Totschlag allerorts, und selbstverständlich mischt die korsisch dominierte Marseiller Unterwelt der früheren Jahre mit. Ein "happy end" ist in Massimo Carlottos Krimi nicht vorgesehen, wie denn auch.
Fazit: Einer der besten, wenn nicht der beste Carlotto-Krimi.
Und dazu auch noch ein Lesetipp: Von Massimo Carlotto und seinen italienischen Krimikollegen Gianrico Carofoglio und Giancarlo de Cataldo ist jüngst ein durchaus lesenswerter Sammelband von Kriminalgeschichten erschienen. "Kokain" lautet der Titel (Folio Verlag).
Service
Massimo Carlotto, "Die Marseille Connection", aus dem Italienischen von Hinrich Schmidt-Henkel, Tropen Verlag