Geschichte einer Heimsuchung

Hollywoods Kriege

Amerikas Kriegsgeschichte ist lang und oft unheilvoll. Filmemacher spüren diesem Trauma nach, schaffen Raum für Interpretation und machen Schlachten und Feldzüge wenn auch nicht begreifbar, so dennoch erfahrbar. Hollywood als zentraler Ort der Darstellung dieser nationalen Erzählungen steht im Mittelpunkt des Buches.

Krieg ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig, auch in Friedenszeiten. Die Kinomaschinerie in Hollywood produziert jedes Jahr zahlreiche Kriegsfilme, die Filmemacher stoßen jedoch immer wieder an die Grenzen dieses Unterfangens: Wie lassen sich die Schrecken des Krieges authentisch inszenieren? Wo treffen militärisches und filmisches Spektakel aufeinander? Diesen Fragen geht die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen in ihrem Buch "Hollywoods Kriege - Geschichte einer Heimsuchung" auf den Grund. Und sie gibt auf viele dieser Fragen durchaus selbstbewusste Antworten:

Wer eine enzyklopädische Aufarbeitung des Genres erwartet, wird enttäuscht. Doch die Auswahl der zitierten Filme lässt eine unerwartete Bandbreite an Analysen, Interpretationen und Bewertungen zu. Neben klassischen Kriegsfilmen und Dokumentationen haben in Bronfens Buch auch Produktionen aus Film Noir, Western oder Fernsehserien Platz. Als Beispiele seien hier die Bürgerkriegserzählung "The Birth of a Nation", die klassische Studioproduktion "Gone with the Wind" oder das Heldenepos "Glory" genannt.

Vergangenheit aus zweiter Hand

In sieben Kapiteln nähert sich Brofen dem Genre Kriegsfilm an, dabei geht es zum Beispiel um die Bedeutung und den Einsatz von Musik. Über Glenn Miller und den Swing, der die Moral heben und Soldaten anwerben sollte, geht die literarische Reise vorbei an Marlene Dietrich bis hin zum von Wagner-Klängen unterlegten Angriff auf ein vietnamesisches Dorf in Francis Ford Coppolas Film "Apocalypse Now" von 1979. Laut Bronfen ist die Beziehung zwischen militärischen Operationen und Kriegsunterhaltung eine überaus merkwürdige, besonders gut sei das im Film "This is Army" zu erkennen.

Reinszenierung von Schlachten

Ein weiteres Kapitel heißt: Choreographie der Schlacht. Wie wird das Geschehen filmisch umgesetzt? Wie werden die traumatischen Erlebnisse der Soldaten auf der Leinwand lebendig? Wie kann die Verworrenheit einer Schlacht für ein Kinopublikum erlebbar gemacht werden? Bronfen bezieht sich hier unter anderem auf den Spielberg-Film "Saving Private Ryan":

Was dann folgt ist eine detailgenaue Analyse der Szene, der Leser erfährt, welche Register des Genregedächtnisses gezogen, wie authentische Berichte eingearbeitet und mit welchen ästhetischen Mitteln die Sequenzen schließlich montiert wurden.

Spannend ist auch das Kapitel, in dem sich Elisabeth Bronfen mit Gerichtsdramen auseinandersetzt. Etwa mit "Judgment at Nuremberg" aus dem Jahr 1961 oder dem im Jahr 2000 angelaufenen Film "Rules of Engagement". Es geht um Kriegsverbrechen und die grundsätzliche Legitimität des Krieges. Es geht um politische Interessen, Korrumpierbarkeit, Moral und die Suche nach Gerechtigkeit. Es geht um eine Reinszenierung der Kriegshandlungen im geschützten Raum des Gerichtssaals.

Krieg hinterlässt quer durch die Gesellschaft seine Spuren. Und das Kino ist offenbar der Ort, wo vor allem Amerika immer wieder seine kriegsgeschichtlichen Traumata aufgreift und aufarbeitet. Elisabeth Bronfen fordert den Leser auf, den Spuren zu folgen und sich mit der Unmittelbarkeit dieser Phänomene zu beschäftigen. Penibel recherchiert und großteils sehr flüssig geschrieben, legt Bronfen in diesem knapp 500 Seiten starken Buch den Fokus auf neue Blickwinkel und findet oftmals überraschende, doch immer schlüssige Interpretationen. Über 80 Filme werden erwähnt oder es wird aus ihnen zitiert - eine Liste dieser Filme, zahlreiche weiterführende Anmerkungen und ein ausführliches Register runden dieses gelungene und interessante Werk ab.

Service

Elisabeth Bronfen, "Hollywoods Kriege - Geschichte einer Heimsuchung", aus dem Amerikanischen von Regina Brückner, S. Fischer Verlag