Eurosonic Festival in Groningen

Es ist der wichtigste Event für die Livemusik-Branche in Europa: das Eurosonic-Festival, das heute Abend zu Ende geht. An zwei Tagen fanden im niederländischen Groningen 260 Konzerte mit europäischen Bands statt, 3.000 Vertreter der Musikindustrie sind akkreditiert. Österreich ist heuer das Schwerpunktland.

Gitarrist von Ja, Panik

(c) Patrick Münnich

Kulturjournal, 17.01.2014

Groningen ist stolz auf's Österreich-Programm

Schwerpunktland beim Eurosonic zu sein, ist vergleichbar mit dem Gastland bei der Frankfurter Buchmesse. Die Augen der europäischen Livemusik-Branche sind für einige Momente auf Österreich gerichtet. Verantwortlich für die Auswahl ist - in Zusammenarbeit mit österreichischen Partnerinstitutionen - Robert Meijerink vom Eurosonic Festival Welches Bild hatte er vom Musikland Österreich?

"Nun, außer der großen klassischen Musikgeschichte Österreichs war mir bekannt, dass es eine reiche Jazz- und Avantgarde-Szene in Österreich gibt", so Meijerink. "Ich wusste natürlich vom Welterfolg von Kruder & Dorfmeister in den 1990er Jahren. Sonst ist Österreich aber nicht als große Musiknation bekannt. Aber wir hatten schon in den letzten Jahren tolle Acts hier und es war toll, nach Österreich zu reisen und all diese Bands zu hören. Ich bin wirklich stolz auf dieses Programm, weil es so vielfältig ist. In Österreich passiert gerade irrsinnig viel, und ich freue mich, dass wir das den Besuchern hier in Groningen zeigen können."

Service

Eurosonic

Band auf der Straße

Täglich buhlen etwa 140 Bands um die Aufmerksamkeit der internationalen Booker. Die österreichische Band Gudrun von Laxenburg hat auf ihre Weise - mit kleinen Elektroorgeln ausgerüstet - für ihr Konzert in Groningen geworben.

(c) ORF, Elstner

Bands spielen ohne Gage

18 Gruppen sind für dieses Showcase-Festival ausgewählt worden. Finanziell ist die Reise nach Groningen zunächst für niemanden ein Gewinn, denn die Bands bekommen keine Gage; zumindest die Reisekosten haben österreichische Fördergeber übernommen.

Wie wird der Auftritt hier zu einem Erfolg? Franz Hergovich vom mica, dem Österreichischen Musikinformationszentrum: "Es ist ganz wichtig zu verstehen, dass man hier alleine als Act wenig bewirken kann. Man braucht Leute, die für die Künstler arbeiten. Konkret passieren hier 20 bis 30 Konzerte zeitgleich. Auch wenn wir jetzt hier die 400 wichtigsten Festival-Booker Europas beisammen haben, geht es darum, diese Leute auch zum eigenen Konzert zu bringen. Man muss also schon im Vorfeld Aufmerksamkeit generieren und dann die richtigen Leute informieren, wann sie wo hinkommen sollen."

Als Noname kommen, als Star gehen?

Bernhard Kern vom Label Siluh-Records ist bereits das dritte Mal beim Eurosonic - stets konnte er Auftritte für die eigenen Bands vermitteln.

"Aber es sollte nicht die Illusion vermittelt werden, dass man hierherkommen kann, und als Star wieder gehen", so Kern. Es ist sehr viel Vorarbeit zu leisten, schon vorher werden Leute kontaktiert und auf die Band aufmerksam gemacht."

Heimisches Medieninteresse steigt langsam

Die Bands mögen nun im Ausland für Furore sorgen - nicht alle heimischen Medien würden sich gleichermaßen für aktuelle Popmusik aus Österreich interessieren, so Kern: "Es ist schon bizarr, wenn eine Szene, die außerhalb Österreichs als wichtige Szene wahrgenommen wird, innerhalb Österreichs weder wahrgenommen noch respektiert wird. Durch Initiativen wie das Popfest und das Waves Festival ändert sich das auch. Es geht Schritt für Schritt."

Als Label allein wäre Siluh Records nicht lebensfähig: "Mit dem hat man halt angefangen, da steckt das Herzblut drinnen. Es war ursprünglich das Wichtige, dass man Platten veröffentlicht. Aber als Geschäftsmodell funktioniert es nicht mehr. Wir machen auch Promotion, Booking, Konzertveranstaltungen. Über diese Kanäle rentiert sich das Label erst."

Dorfmeister-Label auf Eis gelegt

Sogar so international prägende Plattenfirmen wie G-Stone-Records von Kruder & Dorfmeister bekommen das zu spüren. Richard Dorfmeister, Gast eines Panels auf der Eurosonic-Konferenz: "Wir sind als G-Stone-Label nicht mehr aktiv, weil es nicht bezahlbar ist. Entweder etwas funktioniert finanziell, oder man lässt es lieber bleiben."

Wie kommt ein Elektronikmusik-Weltstar wie Richard Dorfmeister über die Runden? "Es ist eine Mischung aus DJ-Jobs, Live-Jobs, ein bisschen Verkäufe und wenn man Glück hat, bekommt man nebenbei Werbungs-Kohle. Aber es ist nicht so, dass man mit dem Finger schnippen muss und es funktioniert. Es ist tight", so Dorfmeister.

Pop-Sensationen aus Österreich

Wolfgang Möstl von der Band Sex Jams war schon mit zwei anderen Projekten in Groningen und ist damit ein alter Eurosonic-Hase: "Für mich gibt es unglaublich viele talentierte Musikerinnen und Musiker in Österreich und Pop-Sensationen. Aber für die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen ist das einfach ein teures Hobby."

Ständige Verkaufsgespräche backstage

Zurücklehnen kann sich Andreas Spechtl von Ja, Panik. Die in Berlin lebende Band aus Wien ist mit ihrem Ende Jänner erscheinenden Album schon auf den aktuellen Covers der wichtigsten deutschsprachigen Musikzeitschriften. "Ich finde so etwas wie heute sehr schwierig und ich sehe mich eher als Zaungast. Und es ist sehr angenehm, dass wir eine Band sind, die keine Erwartungen hat, wir müssen uns heir nicht großartig verkaufen. Auch weil es niemanden interessiert. Hier wird kein Londoner Booker sein, der sich denkt: Diese crazy german oder austrian guys brauch ich unbedingt in meinem coolen Club. Und das merkt man auch, wenn man hier backstage ist. Da finden in jedem Moment irgendwelche Vorstellungs- und Verkaufsgespräche statt. Das ist schon ein bisschen ein Laufsteg. Ich kenne schon schönere Orte, um zu spielen, das sag ich auch ganz ehrlich."

Keine Mozartkugeln und Schnitzelsemmeln

Auf diesem schwierigen Markt hat sich Österreich am gestrigen ersten Abend mit umjubelten, kraftvollen Auftritten präsentiert. Dass der Schwerpunkt auch im Gedächtnis bleibt, dafür sollen ein eigens produzierter musikalischer Reiseführer und das Rahmenprogramm der Österreicher in Groningen sorgen.

"Es gibt zum Beispiel eine Weinverkostung mit österreichischem Wein, es gibt eine Reception, wo das Gemüseorchester live auftreten wird, es gibt eine Bar vom Waves Festival, wo es Wodka und Whisky aus dem Weinviertel geben wird", so Hergovich. "Also es gibt schon einen österreichischen Touch. Wir haben aber versucht, die typischen Österreich-Klischees zu vermeiden. Also es gibt keine Schnitzelsemmeln und keine Mozartkugeln."