Bosnien: Volkszählung schürt Konflikt
Bosnien steht wieder vor einem Konflikt der Volksgruppen im Land: Die Nationalisten unter den Serben, Kroaten und msulimischen Bosniaken fordern die Neuaufteilung Bosniens. Die Grundlage dafür soll die Volkszählung vom letzten Herbst liefern, die mit neuen Zahlen die Bevölkerungsverteilung belegt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 18.1.2014
Ein Viertel weniger Kroaten
Insgesamt um 13 Prozent hat die Bevölkerung Bosniens seit dem Krieg abgenommen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Tausende Kriegstote und Vertriebene. Auffällig ist aber, dass vor allem die Zahl der Kroaten in Bosnien überproportional zurückgegangen ist, nämlich um ganze 27 Prozent.
Für Vedran Dzihic, Bosnien-Experte am Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP), hängt das mit der engen Beziehung zwischen dem Staat Kroatien und den bosnischen Kroaten zusammen. Ein Auswanderungswelle der bosnischen Serben nach Serbien hat es hingegen nie gegeben, auch weil die bosnischen Serben dort nicht wirklich willkommen waren. Die starke Abwanderung der bosnischen Kroaten hänge aber auch damit zusammen, dass sie als kleinere Volksgruppe innerhalb der bosnisch-kroatischen Föderation immer das Gefühl haben, von den muslimischen Bosniaken dominiert zu werden.
"Gefährliches Denken"
Dass nun schwarz auf weiß feststeht, dass es sehr viel weniger Kroaten in Bosnien gibt, hat zwar für die Rechte dieser Volksgruppe keine Auswirkungen, wird aber neue Ängste und politische Begehrlichkeiten schüren, ist Vedran Dzihic überzeugt. Er erwartet "eine extrem heiße Debatte, die das politische Klima vergiften wird. Die kroatischen Politiker werden jetzt noch vehementer versuchen, sich für eine eigenständige kroatische Einheit in der Föderation einzusetzen. Mit dem Argument, dass man, wenn man weniger werde, müsse man die kroatische Kultur schützen und dafür brauche man einen geeigneten ethnoterritorialen Rahmen. Das ist ein Denken, das aber für Bosnien sehr gefährlich sein wird." Gefährlich, weil Bosnien schon jetzt extrem zersplittert und die Zentralregierung durch ethnische Konflikte blockiert ist.
"Rote Linien" nötig
Negative Auswirkungen der Volkszählung auf den politischen Alltag befürchtet auch der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Valentin Inzko: "Man sieht schon erste Anzeichen dafür. Wir haben als internationale Gemeinschaft heute wieder eine Sitzung gehabt, um das einzudämmen und gewisse rote Linien einzuführen." Eine solche rotze Linie wäre, dass es zu keinem Referendum über den Status von Bosnien-Herzegowina kommt oder der Ankündigung irgendeiner Abspaltung.
Im Herbst 2014 finden in Bosnien-Herzegowina Parlamentswahlen statt. Die Volkszählung wird da politisch ausgeschlachtet. Statt der drängenden wirtschaftlichen und sozialen Themen wird im Wahlkampf da sicherlich wieder die Nationalitätenfrage im Zentrum stehen.