Paolo Giordano "Der menschliche Körper"
"Die Einsamkeit der Primzahlen" lautete der Titel des ersten Romans von Paolo Giordano, der 2008 zum meistverkauften Buch in Italien wurde und dem Autor auch den renommierten Literaturpreis "Premio Strega" eingebracht hat. Nun hat Giordano ein neues Buch rund um den Einsatz italienischer Soldaten im Afghanistan-Krieg geschrieben.
8. April 2017, 21:58
Vor kurzem ist es auf Deutsch im Rowohlt-Verlag unter dem Titel "Der menschliche Körper" erschienen. Gestern Abend hat Giordano in der Hauptbücherei in Wien daraus gelesen.
Morgenjournal, 24.1.2014
Die Situation im Soldatencamp ist angespannt. Das Essen ist nicht gerade überzeugend, um die wenigen Toiletten wird immer wieder gestritten, und wenn einer der Soldaten das Duschgel eines anderen entwendet, droht die Situation zu eskalieren. Und über allem thront die Angst vor dem Feind, von dem allerdings lange Zeit nichts zu sehen ist.
Erst nach drei Viertel des Romans "Der menschliche Körper" kommt es zu einer, wenn auch tödlichen Feindberührung mit den Taliban. Kriege heutzutage wären sehr abstrakt, und daher vor allem psychologisch geführte Kriege, meint der 1982 in Turin geborene Autor Paolo Giordano.
Leben, weit weg von der Heimat
Giordano konzentriert sich in seinem Ensemble von rund einem Dutzend Soldaten auf individuelle Charakterstudien, beschreibt präzise ihre Sorgen und Zweifel, ihre Langeweile und ihre Sehnsüchte nach dem Leben zu Hause in Italien, nach ihren Frauen. Weit weg von der Heimat werden die Prioritäten des Lebens neu sortiert. Nie wieder möchte man Zeit vergeuden.
Ausgangspunkt für den Roman war eine journalistische Reportage, die Giordano, der selbst keinen Militärdienst absolviert hat, für die italienische Ausgabe der Zeitschrift "Vanity Fair" geschrieben hat, inklusive zweier Aufenthalte in einem Militärcamp in der afghanischen Provinz Gulistan.
Er habe dort, so Giordano, seine Vorurteile gegenüber dem Militär revidiert und eine ziemlich authentisches Bild seiner eigenen Generation erfahren, ein Bild, das auch von tiefer Menschlichkeit geprägt gewesen sei.
Abgestumpfte Öffentlichkeit
Seit 2001 sind die italienischen Truppen unter NATO-Kommando in Afghanistan, mehr als 50 tote Soldaten sind seither zu beklagen. Doch die öffentliche Meinung ist mittlerweile abgestumpft.
Man spreche mittlerweile nur mehr wenig darüber, meint Paolo Giordano, und wenn, dann nur mehr wenn es Tote gäbe, aber selbst dann sei das gerade mal Thema für 24 Stunden. Und je länger der Einsatz dauere, desto weniger verstehe man den Sinn dahinter.
Eigentlich ist Paolo Giordano studierter Physiker, doch die Literatur hat immer mehr das Kommando in seinem Leben übernommen. Seine Art zu denken sei der Literatur eben viel näher als der Wissenschaft, die doch ziemlich anstrengend sei.
Im Übrigen, das Militärcamp, das Giordano für seine Recherchen zum Roman "Der menschliche Körper" in Afghanistan besucht hat ist mittlerweile geschlossen. Langsam holt Italien seine Truppen zurück, doch einen konkreten Termin für einen endgültigen Abzug gibt es weiterhin nicht.