Architekten: Bürokratie statt Kreativität
Der Architekt als schöngeistiger Künstler mit hohem gesellschaftlichen Ansehen - dieses Berufsbild entspricht der Realität kaum. In Wirklichkeit ist der Beruf des Architekten mit steigender Verantwortung und Bürokratisierung verbunden. Zunehmender wirtschaftlicher und rechtlicher Druck gehe zu Lasten der Kreativität, klagen die Architekten.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 3.2..2014
In der Baubranche steigt der Preisdruck – das bekommen alle Beteiligten zu spüren, Bauherren und Professionist/innen ebenso wie Planer. Es ist keine Seltenheit, dass Architekt/innen, nachdem ein Bauwerk fertiggestellt ist, auch wegen geringfügiger Fehler oder Normenverstöße geklagt werden, um die Baukosten durch die Auszahlung von Haftschutzversicherungen im Nachhinein zu senken. Die Prozesse gegen Ziviltechniker haben in den letzten Jahren zugenommen. Der Architekt Gerhard Binder vom Wiener Büro t hoch n führt das unter anderem darauf zurück, dass das Leistungsbild der Architekten auf Druck der Auftraggeber – egal ob private oder öffentliche – zunehmend mehr Verantwortungen und Risiken umfasst.
Die Schieflage im wirtschaftlichen Kräfteverhältnis zwischen Bauherren und Architekten beginnt schon bei der Auftragsvergabe – die Konkurrenz ist groß, Aufträge sind knapp, und so sind Architekturbüros, die laufende Infrastrukturkosten, etwa für die Büros und die Mitarbeiter, zu tragen haben, bereit Abstriche zu machen, um einen Auftrag zu erhalten. Das betrifft Honorarnachlässe, aber auch das Vertragswerk, erklärt der Rechtsanwalt Hannes Pflaum, Präsident des Architekturzentrum Wien:
"Kein Elektriker würde eine Glühbirne einschrauben ohne Auftragsbestätigung", so Pflaum. Architekten leisteten Ungeheures, ohne dass sie einen konkreten Auftrag hätten. Und wenn ein Projekt nicht zustande kommt, "müssen sie sich streiten, ob sie überhaupt ein Honorar bekommen", sagt Pflaum.
Er fordert, dass der Gesetzgeber in Zusammenarbeit mit der Standesvertretung der Architektinnen ein Regelwerk schafft, das Architekten besser schützt. Der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten steht Walter Stelzhammer vor. Er kritisiert, dass es aufbauend auf "schwammige Knebelverträge" in der Endphase eines Bauvorhabens immer öfter dazu komme, "Schadenersatzforderungen zu konstruieren und exorbitante Schadenersatzforderungen zu stellen".
Auch wenn ein Architekturbüro freigesprochen wird, können jahrelange Prozesse existenzbedrohend sein. Anders als Investoren oder große Bauträger können kleinere Architekturbüros nicht auf die ständige Unterstützung durch firmeneigene Rechtsabteilungen zurückgreifen.