Internationaler Internet-Blog

Vor einigen Jahren habe ich begonnen, meinen Alltag online in einem Blog zu dokumentieren. Damit das Ganze nicht zu persönlich wird, schreibt dort mein Alter Ego, Paula. Paula schreibt auf Englisch. Das stößt nicht immer auf Gegenliebe:

Eine Frau bei der Knödelzubereitung

(c) Paula's Diary

kind – Englisch für höflich, freundlich, nett. Dieses Wort drückt mit vier Buchstaben aus, warum ich meine englisch-sprachigen Identität im Netz so sehr schätze. In deutschsprachigen Blogs wird über andere hergezogen und erschreckend viel gelästert. Kollegen, Freunde, Familie, Ehepartner - an kaum jemandem wird ein gutes Wort gelassen. Das führt manchmal sogar so weit, dass Blogs hinter Passwörtern versteckt werden müssen, weil die Inhalte veritable Schäden anrichten könnten. Mit einem Wort: toxisch.

Da schreibe ich lieber auf Englisch. Die Sprachwahl hatte für mich überraschende Auswirkungen betreffend Umgangsformen. Sogar Diskussionen zu heiklen Themen – wie zum Beispiel Alkohol oder Arbeitslosigkeit - verlaufen auf Englisch stets höflich und entspannt. Der english native speaker verabschiedet sich mit einem respektvollen "we agree to disagree" aus der Diskussion.

Einzig die Finnen stören manchmal doch ein wenig die Harmonie. Mit ihren spröden Kommentaren treffen sie mitten ins Schwarze. Das ist nicht immer nett. Trotzdem: In vier Jahren wurde nicht ein Kommentar hinterlassen, den ich hätte zensurieren müssen.

Gute Frage. Die Entscheidung für eine Sprache - Deutsch oder Englisch - bringt mich in ein Dilemma. Die Leser/innen wissen nämlich nicht, dass sich die deutschsprachigen und englischsprachigen Leser/innen zahlenmäßig auf meinem Blog ziemlich genau die Waage halten. Wieso ich das so genau weiß? Der Menüpunkt "Publikum" zeigt mir höchst interessante statistische Auswertungen. Auf einer grün eingefärbten Weltkarte sehe ich, aus welchen Ländern die meisten Zugriffe kommen. Spitzenreiter sind die USA. Den dunkelgrünen Fleck auf der Weltkarte verdanke ich insbesondere einem Blog-Eintrag. "Packing light for Sicily" - Die Reise mit kleinem Gepäck – ist wohl ein Mysterium für viele amerikanische Touristen und liefert mir konstant virtuelle Besucher aus den USA. Auf Platz zwei und drei folgen Leser aus Deutschland und Österreich.

Ich serviciere also Briten, Amerikaner und Australier - hoffentlich vertreibe ich sie nicht mit meinem improvisierten Englisch – ich erreiche aber auch Slowenen, Franzosen und Ukrainer, die ebenfalls auf Englisch bloggen. Das Nachsehen haben eindeutig die deutschsprachigen Leser:

Von Dieter habe ich nie wieder was gehört. Ich kann ihn verstehen. Es muss seltsam sein, einen fehlerhaften englischen Text zu lesen, der genauso gut - was heißt genauso gut - der viel besser - auf Deutsch hätte verfasst werden können. Beim Schreiben auf Englisch fehlen mir immer wieder Vokabel, die ich brauche, um genau das auszudrücken, was ich sagen möchte. Wie heißt Granatapfelkerne? Das Lesezeichen zum Online-Wörterbuch ist immer griffbereit. Granatapfel ist schnell gefunden. Pommegränet (pomegranate). Aber keine Granatapfelkerne. Also suche ich nach Kern. Enter. Die Ergebnisliste ist lang. Stone. Pit. Pip!? Core? Die Suche nach dem Kern gerät zum Multiple Choice Test.

Haben Sie es bemerkt? Die Sätze werden immer kürzer. Dafür gibt es einen pragmatischen Grund. Im Unterschied zu fehlenden Vokabeln, kann eine korrekte Syntax nicht so leicht recherchiert werden. Und falsch gesetzte Beistriche können einen kompletten Absatz sinnfrei machen. Das ist erschreckend. Nachdem doch so viel Zeit aufgewendet wurde, genau die passenden Worte zu finden. Kurze Sätze bieten die beste Versicherung gegen grammatikalisches Stolpern. Das ist zwar nicht besonders elegant, aber sehr effektiv. Und genau darum geht es doch bei Globish.