Historische Ansichten europäischer Städte

Am 8. Februar eröffnet im venezianischen Museo Correr eine kulturhistorische Ausstellung zum Thema "Die europäische Stadt von der Renaissance bis zur Aufklärung", die sich mit der Idee und der Realisation von Städten beschäftigt. Eine Ausstellung, die der Frage nachgeht, ob die kulturellen Aufbruchsperioden Renaissance, Barock und Aufklärung das Bild von Städten entscheidend verändert haben und/oder überhaupt verändern konnten.

Kulturjournal, 06.03.2014

Sie ist ummauert. Hohe Mauern mit Wehrtürmen. Man sollte annehmen, dass Trient sicher vor Angriffen ist. Das Gemälde von Bernardino Zambaiti von 1703 zeigt eine Stadt mit prächtigen Gebäuden, mit Kirchen und Palästen, mit einigen breiten Straßen, die zu Plätzen führen. Eine reiche Stadt, an der Schnittstelle zwischen dem deutschen Reich und den norditalienischen Staaten. Und doch ist diese ummauerte Stadt unsicher, fragil, Angreifern fast wehrlos ausgeliefert.

Das in der Ausstellung gezeigte Ölgemälde, das zu den Beständen des Diözesanmuseums von Trient gehört, zeigt auch die Bedrohung einer Stadt. Vom anderen Ufer des Flusses Etsch aus, an dem Trient errichtet wurde, werden dicke Feuerkugeln in das Innere der Stadt geschossen. Am oberen Bildrand des Gemäldes knien in einem Wolkenensemble mehrere Geistliche, darunter Bischöfe, und bitten den Herrgott, seinen Sohn Jesus und Maria um Hilfe, um, so ist in einer Bildlegende nachzulesen, vom Feind befreit zu werden.

Die Erfindung und der zunehmende Gebrauch von Feuerwaffen brachte das Ideal der Sicherheit europäischer Städte vollkommen ins Wanken. Obwohl ständig von außen bedroht, wurden die Städte zu den unbestrittenen Zentren der intellektuellen und künstlerischen Entwicklung Europas, erklärt die Historikerin Gabriella Belli, wissenschaftliche Leiterin der Ausstellung im Palazzo Correr: "Die Ausstellung zeigt, wie sich das Bild der europäischen Stadt seit dem Mittelalter verändert hat. Obwohl die Kommunen aufgrund von Kanonen immer angreifbarer wurden, entwickelten sie zwischen dem Beginn der Renaissance und der Aufklärung das Ideal der Stadt, so wie man es in Europa heute noch kennt: als Ort der geistigen Freiheit und der Kunst. Stadt gleich Freiheit gleich Kunst, das will unsere Ausstellung verdeutlichen."

Imago Urbis

Seit dem Mittelalter und den reichen und nicht selten selbst verwalteten Stadtstaaten, wie zum Beispiel in Italien mit den beiden konkurrierenden Kommunen Florenz und Siena, steht der Begriff Stadt für moralische staatstragende Werte. Die Rede ist von der sogenannten Imago Urbis: mächtige Bürger, Fürsten, Könige und Päpste bauten ihre Städte zu Stein gewordenen Ideen von Macht und Pracht um. Das gilt vor allem für die Zeit seit Beginn der Renaissance.

"Es waren zunächst italienische Herrscher, die, in Anlehnung an eine verherrlichte römische Antike, im Sinn der Wiedergeburt dieser Antike, der Renaissance, ihre Städte mit geraden Prachtstraßen ausstatteten", sagt Gabriella Belli, "wie zum Beispiel Papst Julius II. in Rom. Aus verwinkelten mittelalterlichen Städten mit düsten und unhygienischen Gassen sollten helle lichte und saubere Städte mit antikisierten Palästen werden. Dieses Ideal heller lichter Städte existiert bis heute."

Gemälde, Zeichnungen, Stadtpläne, Atlanten und geografische Karten: Die Ausstellung zeigt Hunderte europäischer Stadtansichten - aus der Luft, von außen, von außerhalb hoher Stadtmauern und aus dem Innern der Städte. Darstellungen von Gaspar van Wittel, von Jacob Philippe Hackert, Bernardo Bellotto und vielen anderen Künstlern aus der Zeit des 16. bis Ende 18. Jahrhunderts.

Veduten als Postkarten

Städte waren seit der Renaissance ein bevorzugtes Sujet von Malern. Dargestellt wurde primär ihre Pracht und ihre Bedrohung. Das heißt: Stadtansichten wie die von Canaletto, die Alltagsszenen in Friedenszeiten darstellen, und Bilder, die Städte zeigen, die angegriffen werden oder in Flammen aufgehen. Vor allem aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges existieren zahlreiche solcher dramatischen Gemälde und Kupferstiche.

Die Ausstellung zeigt auch die Evolution europäischer Stadtansichten. Die Architekturhistorikerin Graziella Montini: "Die Wiedergabe von Innenstädten wurde immer präziser. Im Geist der Aufklärung wurden zum ersten Mal überhaupt überschaubare Kataster geschaffen und die Eigentumsverhältnisse auch bildlich dargestellt. Städte wurden kartographiert, nach europaweit einheitlichen Vorgaben. Das hatte vor allem militärische und verwaltungstechnische Gründe."

Die Ausstellung endet mit der Kommerzialisierung der Stadtdarstellung. Nicht mehr nur Stadtherren, Fürsten und Päpste ließen sich "ihre" Städte von Künstlern malen, sondern auch illustre Reisende während ihrer Grand Tour, vor allem nach Italien.

Die Vedutenmalerei wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert ganz große Mode. Gut betuchte Reisende kauften im 18. Jahrhundert bei Malern, darunter auch so bekannten wie dem deutschen Maler und Wahlitaliener Jakob Philipp Hackert, Stadtansichten: Rom mit seinen Kuppeln im Sonnenuntergang, Neapel und der Golf mit dem qualmenden Vesuv im Hintergrund, Neapel mit Blick auf die Insel Capri oder auch Venedig mit seine Palästen und dem Canal Grande. Die Vedutenmalerei wurde ein gängiges Genre in ganz Europa und beschränkte sich schließlich nicht mehr nur auf Italien. Die Ausstellungsmacher im venezianischen Palazzo Correr vergleichen diese Mode mit den Postkarten, die man noch bis vor kurzem aus Rom und Venedig, Florenz, Paris, London und so weiter an die Daheimgebliebenen schrieb.