Eine Biografie von David Abulafia

Das Mittelmeer

Das Mittelmeer: für viele eines der beliebtesten Urlaubsziele, mit seinen sanften Wellen und den angenehmen Temperaturen. Doch dieses große Wasser war in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Schauplatz von Tragödien und weitreichenden Entwicklungen.

Viele Schiffe waren dort von einem Hafen zum anderen unterwegs, die der Griechen und Etrusker, dann der Venezianer und Katalanen, später der Holländer und Briten. "Eine Geschichte von Konflikten und Kontakten", beschreibt der Autor David Abulafia sein vielschichtiges Buch.

Innerhalb dieser Grenzen ist David Abulafia unterwegs. Er setzt die Segel und nutzt Wind und Strömungen, um den Leser auf eine spannende Reise durch die Geschichte des Mittelmeers mitzunehmen. Auf über 800 Seiten werden Handelsschiffe mit allerlei Gütern bepackt, werden heilige Allianzen und blutige Konflikte lebendig. Abulafias Biografie beginnt im Jahr 22.000 vor Christus und reicht bis in die Gegenwart.

Sicht vom Wasser aus

Abulafia unterscheidet fünf mediterrane Zeitalter und widmet jedem die gleiche Aufmerksamkeit. Immer wieder kehrt der Leser dadurch in verschiedene Städte zurück, der Fokus liegt ganz klar auf der Sicht der Dinge vom Wasser aus, und so ändert sich oftmals der Blickwinkel, etwa beim Untergang Trojas, den Punischen Kriegen, der Gründung Alexandrias oder im Römischen Reich.

Es geht um Machtverhältnisse, Machtverschiebungen, Machtverlust.

Stile, Moden und Ideen

Griechenland, Ägypten, Italien, Tunesien, Spanien – virtuos und mit einer sprachlichen Leichtigkeit, die auch in der Übersetzung nicht verloren gegangen ist, erzählt Abulafia diese Kultur- und Zivilisationsgeschichte, detailreich und anschaulich.

Stile, Moden und Ideen fanden ihren Weg über das Mittelmeer. Doch mit den Schiffen wurden nicht nur Handelsgüter wie Gewürze, edle Stoffe oder Sklaven von hier nach dort transportiert, auch Krankheiten wie die Pest verbreiteten sich rasch.

Der Siegeszug der Dampfschiffe

Abulafia lässt sich auf seiner Schiffsreise durch die Geschichte des Mittelmeers Zeit, geduldig und ausführlich weist er immer wieder auf die neuesten Errungenschaften in der Seefahrt hin. So war etwa der Bau des Suez-Kanals ein einschneidendes Ereignis, wurde doch damit der Seeweg in den Orient stark verkürzt. Im Jahr 1885 passierten bereits 3.600 Schiffe den Kanal. Doch auch im Schiffsbau selbst tat sich damals einiges:

Immerhin, wofür Segelschiffe mehr als einen Monat brauchten, bewältigten Dampfschiffe in weniger als einer Woche.

Außenseiter Seefahrer

Das Mittelmeer war stets hart umkämpft, Kriege und Gemetzel gehören genauso zu seiner Geschichte wie der florierende Handel. Ins Chaos stürzte das Mittelmeer vor allem im Zweiten Weltkrieg, danach verloren das Mittelmeer und seine Hafenstädte zusehends an Bedeutung im weltpolitischen Gefüge. In seinem Schlusswort, das den schönen Titel "Übers Meer" bekommen hat, schreibt Abulafia:

Umfangreich, spannend, leicht lesbar: Dieses Buch hat alles, was ein künftiges Standardwerk ausmacht. Beeindruckend ist auch die penible Recherchearbeit des Autors, die sich anhand der knapp 100 Seiten umfassenden Anmerkungen erahnen lässt. Wer nach der Lektüre dieses Buches leicht schwankend an der Hafenmauer steht, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren scheint und in Gedanken die aufregende Geschichte des Mittelmeers Revue passieren lässt, der hat dieses große Wasser wohl verstanden.

Service

David Abulafia, "Das Mittelmeer. Eine Biographie", aus dem Englischen von Michael Bischoff, S. Fischer Verlag