Spannung vor türkischer Kommunalwahl
Die Kommunalwahl in der Türkei am kommenden Sonntag wird von Regierungschef Erdogan als Vertrauensabstimmung über seine Person dargestellt. Meinungsumfragen sehen Erdogans AKP immer noch mit Abstand als stärkste Partei – aufs ganze Land gerechnet. Doch in Istanbul und Ankara könnte das Rennen sehr knapp werden. Sollte die AKP Ankara oder Istanbul verlieren, könnte das weitere politische Erschütterungen auslösen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 27.3.2014
Erdogan schwebt über Istanbul
Istanbul ist mit 15 Millionen Einwohnern nicht nur die größte Stadt der Türkei – sie ist auch der entscheidende Trumpf im politischen Machtspiel. Ihr eigentlicher Bürgermeister, der über Bauprojekte, Verkehrsvorhaben und Lebensstil der Istanbuler entscheidet, heißt seit zwei Jahrzehnten Recep Tayyip Erdogan. Kein Wunder, dass im Wahlkampf um die Stadtverwaltung Erdogans Bild allgegenwärtig ist, und nicht das des offiziellen Bürgermeisters Kadir Topbas.
Wenn die AKP an diesem Sonntag Istanbul verlieren sollte, dann wäre Erdogans Abstieg nicht mehr aufzuhalten. Das wissen auch die AKP-Anhänger. Mit Bussen, Schiffen und teilweise zu Fuß sind hunderttausende von ihnen zur letzten großen Wahlveranstaltung gepilgert. Stundenlang haben sie ausgeharrt, bis am Himmel der Hubschrauber mit dem Ministerpräsidenten erschien.
Und wie jeden Tag seit 17. Dezember beschimpfte er seine Gegner als Betrüger, Lügner, Manipulatoren, Terroristen, Spione, Verräter und Zerstörer. Die Liste der Gegner, die Erdogan aufzählt, wird aber immer länger: Studenten, Intellektuelle, Liberale, Nationalisten, Medien, Geschäftsleute, die USA, Europa und vor allem die Bewegung des islamischen Predigers Gülen. Doch in den Büros der AKP-Jugend, bisher die Geheimwaffe der islamisch-konservativen Partei, wird offen zugegeben, dass der Korruptionsskandal viele Sympathien gekostet hat.
Gegenkandidat Mustafa Sarigül
Gegenkandidat Mustafa Sarigül
"Wie in jeder Partei gibt es auch bei uns schwarze Schafe. Es ist gut, dass man die jetzt aussortieren kann. Aber auch schlecht, weil wir schon so weit waren und wieder von vorne anfangen müssen." Der Mann, der von diesem Gegenwind profitieren könnte, ist der Kandidat der CHP, der größten Oppositionspartei, Mustafa Sarigül. Er ist unter CHP-Anhängern nicht unumstritten, gilt er doch wie Erdogan als Macher, der auf Feinheiten wenig Rücksicht nimmt. Seine Seilschaften reichen in alle Richtungen, und viele wichtige Geschäftsleute haben ihm etwas zu verdanken. Obwohl er sich betont weltlich gibt und als Frauenheld gilt, hat er doch fromme Muslime nie vor den Kopf gestoßen. Mit einem Wort: Sarigül könnte es schaffen, die AKP nach 20 Jahren aus ihrer Bastion Istanbul zu vertreiben.
Leider muss man bei dieser AKP am Wahltag mit allem rechnen, sagt Sarigül. Sie kontrollieren sogar die Computer mit denen ausgezählt wird, und man sollte sehr genau aufpassen, was da passiert. Immer wieder verteilt Sarigül leere Schuhkartons. Sie sind seit dem Auffliegen des Korruptionsskandals zum Symbol geworden für Bestechungsgelder in Millionenhöre, die AKP-Minister und ihre Familien zu Haus versteckt haben.