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"Die Präsidentinnen" am Wiener Volkstheater
Mit "Die Präsidentinnen" setzt das Volkstheater den frischen und unverstellten Blick junger Regisseur/innen auf österreichische Dramatiker/innen der Moderne fort.
8. April 2017, 21:58

Martina Stilp, Claudia Sabitzer, Katja Kolm
(c) Christoph Sebastian
Erna, Grete und Mariedl sind Präsidentinnen. Sie stehen keinem Land vor, sie leiten keine Konzerne. Und doch sind sie Menschen, "die glauben alles zu wissen, über alles zu bestimmen", so Autor und Dramatiker Werner Schwab. Schwab hielt das in einem Vorwort zu seinem Stück "für eine Form von Größenwahn".
Abgründig
Erna hat sich der Religion und der Sparsamkeit verschrieben, gießt ihren Kaffee mit Klopapier auf, trägt eine Pelzhaube von der Mülldeponie und träumt von einer Liaison mit dem hiesigen Fleischer Wottila. Grete, von ihrem Mann für eine 18-Jährige verlassen, hat sich ihre Dackeldame Lydi zur neuen Lebenspartnerin erkoren, und fantasiert sich heimlich eine Zukunft als Gutsherrin mit dem feschen Freddy herbei. Mariedl ist Klofrau von Beruf und aus Berufung. Sie prophezeit den beiden anderen eine dunkle Zukunft, was natürlich Gegenwehr heraufbeschwört.
Diese Präsidentinnen dozieren über Gott und die Welt, sprechen Urteile über Leberkäse und Gulasch, kommentieren verstopfte Toilettenabflüsse und stellen fest, dass die beste Art sie freizubekommen, immer noch der beherzte Griff ins Klo ist. Weil aber kein Mensch die Hässlichkeit, in der er lebt, verdient hat, steigern sich die drei Kleinbürgerinnen in Allmachtsfantasien, in rauschhafte Visionen von Glück und einem erfüllten Leben. Und können ihren verdrängten Abgründen doch nicht entkommen.
Sprachgewalt
Die Arbeitertagebücher waren es, in denen der 22-jährige Schwab (1958-1994) nach einer tristen Kindheit begann, seine eigene Sprache zu entwickeln - eine Sprache, die er in den Dramen ab 1990 weiterführte, entwickelte, perfektionierte. Deftige Ausdrücke und ganz eigene Wortkreationen waren seine Methode, die vorherrschende Sprache der Literatur und der Bühne zu entlarven, sie an den Pranger zu stellen.
Es entstanden sprachgewaltige und witzig-böse Texte - 16 Theaterstücke in vier Jahren. Schwab erfasste eine fast schon manische Produktivität, als wüsste er um seine begrenzte Zeit. "Die Präsidentinnen" galt 1990 vorerst als unspielbar. Verlage und Theaterintendanten lehnten das Stück zunächst als unspielbar ab, bevor es im Wiener Künstlerhaus uraufgeführt wurde - und Schwab den ersehnten Durchbruch als Dramatiker brachte. Gemeinsam mit "Mein Hundemund", "Übergewicht, unwichtig: Unform und Volksvernichtung" oder "Meine Leber ist sinnlos" vervollständigt das Stück die Tetralogie der Fäkaliendramen. "Mein Hundemund" wurde in der vergangenen Spielzeit im Schwarzen Salon gezeigt.
Unter der Regie von Milos Lolic spielen am Volkstheater Katja Kolm, Claudia Sabitzer und Martina Stilp. Milos Lolic gibt mit "Die Präsidentinnen" sein Debüt auf der großen Bühne des Volkstheaters. Er studierte Theater- und Radioregie in Belgrad. Seine Inszenierung von "Bluthochzeit" am Münchner Volkstheater wurde zu den Bayerischen Theatertagen eingeladen. Am Volkstheater inszenierte er "Magic Afternoon" von Wolfgang Bauer, wofür er mit dem Nestroy-Preis 2012 in der Kategorie "Bester Nachwuchs" ausgezeichnet wurde.
Service
Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Volkstheater ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).
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