Hans-Ulrich Grimm sucht die Wahrheit
Die Suppe lügt
"Die Suppe lügt" ist Hans-Ulrich Grimms Resumée und Titel seines Bestsellers, der das erste Mal bereits 1997 erschien. Der Band diente der Aufklärung über die Praktiken großer Nahrungsmittelkonzerne.
8. April 2017, 21:58
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Das Rezept ist vielleicht nicht jedermanns Sache, denn als Ausgangsbasis dient: Klärschlamm. Man nehme die festen Bestandteile der Brühe, ruhig auch das reichlich vorhandene Toilettenpapier, verkoche es bei hohen Temperaturen zu Granulat, mahle es sodann und füge einige Soja-Proteine hinzu. Fertig ist "Jinko Nikku", ein neuartiger Fleischersatz.
Hühnersuppe ist noch lang keine Hühnersuppe
Hans-Ulrich Grimm ist in Sachen Aufklärung über unsere "schöne neue Welt des Essens" wahrlich kein Unbekannter. Was der Autor zahlreicher Sachbücher über die industrielle Nahrungsmittelproduktion im vierzehnten Kapitel seines Buches "Die Suppe lügt" beschreibt, ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs - oder sollte man sagen: die "Spitze des Müllbergs".
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Geschmacklich lässt die Kreation von Mitsuyuki Ikeda, einem Wissenschaftler aus dem japanischen Okoyama, noch zu wünschen übrig: Erste Testesser erinnerte sie an alte Hähnchen mit einem leichten Hauch von Fisch. Das ließe sich aber regeln: Die moderne Lebensmittelproduktion hat ja einiges entwickelt, um den Geschmack zu manipulieren und selbst penetranten Hautgout zu maskieren.
In knappen Worten fasst der Autor auf Seite 261 von "Die Suppe lügt" noch einmal zusammen, worum es in seinem Buch geht: Ersatzstoffe und künstliche Aromen, die uns in industriell erzeugten Lebensmitteln Zutaten vortäuschen, die entweder nur in Spuren oder gar nicht enthalten sind.
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Eine Hühner-Suppe mit Nudeln aus dem Hause Knorr beispielsweise enthält nur zwei Gramm Trockenhuhn in Form von Kügelchen. Das entspricht gerade mal sieben Gramm vom Fleisch eines echten Federviehs - genannt "Nasshuhn". Damit kann natürlich kein Koch der Welt Hühnergeschmack in vier Teller Suppe zaubern. Knorr kann das: mit einem Gramm "Aroma", dem Geschmack aus der Fabrik. Das gibt zwar keine echte Hühnersuppe, aber immerhin eine "vergleichbare Lösung", wie ein Knorr-Chemiker diese Flüssigkeit nennt.
"Die Suppe lügt" heißt Hans-Ulrich Grimms Resumée, das bereits 1997 in Buchform erschienen ist. Der Band avancierte mit einer viertel Million verkauften Exemplaren zum Bestseller. Er diente der Aufklärung über die Praktiken großer Nahrungsmittelkonzerne. Eine Änderung solcher Geschäftsmodelle ist indes weiterhin nicht in Sicht. Ein Grund dafür könnte in der Preisgestaltung für deren Erzeugnisse liegen:
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Der Preis für die "vergleichbare Lösung" in Sachen "Hühnersuppe" liegt gerade mal bei 79 Cent - für vier Portionen.
"Natürliche" Aromen aus Sägespänen
Nach siebzehn Jahren, fand Hans-Ulrich Grimm, sei es angesichts der weiterhin bestehenden Praktiken großer Konzerne Zeit für eine Neuauflage, denn immer noch dürfen künstliche Aromen, die zum Beispiel aus Sägespänen gewonnen werden, als "natürlich" bezeichnet werden. Der ehemalige "Spiegel"-Redakteur schrieb mehr als zehn einschlägige Bücher mit Titeln wie "Katzen würden Mäuse kaufen: Schwarzbuch Tierfutter", "Die Ernährungslüge. Wie uns die Lebensmittelindustrie um den Verstand bringt" oder "Garantiert gesundheitsgefährdend. Wie uns die Zuckermafia krank macht".
Nun stellte er erneut mit großer Genauigkeit Fakten über künstlich erzeugte Aromen, Zusatzstoffe, die nicht aus Lebensmitteln hergestellt werden, Farbstoffe und - nun ja - Nahrungsmittel, die aus Abfällen gemacht werden, zusammen. Im Buch finden sich Kapitel zu allen Aspekten der Ernährung in den Zeiten weltweit agierender Nahrungsmittelkonzerne. Knorr, Nestlé, Maggi und andere werden beim Namen genannt, ihre Praktiken genauestens unter die Lupe genommen und auf deren Folgen für den menschlichen Organismus hingewiesen.
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Die Folgen der neuen Hightech-Manipulationen im menschlichen Körper sind kaum zu ermessen. Denn der Geschmack dient dem Körper als Signal, um seine Apparaturen für die Nahrungsmittelverarbeitung zu steuern: Die Verdauungssäfte, die Hormone, die Botenstoffe, das ganze Instrumentarium, das die Leistung vollbringt, die Nahrung in Energie umzuwandeln und die Organe zu erneuern.
Lösungsmöglichkeit: Selbstversorgung
In manchen Bereichen bleibt Hans-Ulrich Grimm jedoch etwas vage. Eine Auflistung der Risiken für die Gesundheit beziehungsweise eine Liste konkreter Krankheiten bleibt er schuldig. Ebenso fehlt eine Liste sämtlicher Nahrungsmittel-Zusätze, künstlicher Farbstoffe und Aromen sowie deren gebräuchliche Abkürzungen, damit man sie auf den Etiketten industriell erzeugter Nahrungsmittel erkennen könnte.
Bei einer kurzen Recherche im Internet wird klar, warum: Zu umfangreich sind die Möglichkeiten, zu lang die Listen der Stoffe und Krankheiten. Doch Grimm bietet dieses Service sehr wohl an. Auf seiner Seite "Dr. Watson - Der Food Detektiv" findet man in der "Zusatzstoff-Datenbank" alle gängigen Abkürzungen. Per Mausklick kommt man zur Erläuterung, wozu der Stoff dient, woraus er hergestellt wird und welche Probleme er verursachen kann. Nach demselben Prinzip funktioniert die Liste der Krankheiten, die von "Ablagerungen im Augenhintergrund" bis zu "Zuckerstoffwechselstörungen" reicht.
Grimms Fazit ist so einfach wie einleuchtend:
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Entschleunigung, auch beim Essen: Slow Food, Urban Farming, Urban Harvest und der "Mush Room", in dem direkt neben dem Restaurant Pilze angebaut werden können. Ob die Pilze aus dem Mush Room wirklich alle reichen, nun ja... Aber die Idee ist von großem Symbolwert: Authentizität, Selbstversorgung, sogar in der Megacity.
Service
Hans-Ulrich Grimm, "Die Suppe lügt. Die schöne neue Welt des Essens", Droemer Verlag
Dr. Watson - Der Food Detektiv