Was haben "Neger" und "Eskimos" gemeinsam?

Seit dem Andreas Mölzer das N-Wort verwendet hat, ist die Debatte über die politisch korrekte Ausdrucksweise wieder neu entbrannt. Darf man Homosexuelle als "schwul" bezeichnen? Und warum darf man die Grönlandbewohner nicht "Eskimo" nennen?

Mittagsjournal, 18.4.2014

Frage des Respekts

Absolute No-Gos sind Begriffe, die an und für sich schon Beschimpfungen sind, wie etwa "Tschusch", sagt der Sprachwissenschaftler Helmut Gruber von der Universität Wien. Inuits zum Beispiel wollen nicht "Eskimos" genannt werden, denn das bedeute eigentlich "Rohfleischfresser". Anlässlich der aktuellen Debatte müsse die Gesellschaft sensibler werden, fordert Gruber. Das sei eine Frage des gegenseitigen Respekts: "Wenn jemand sagt, ich will so nicht genannt werden, dann hat man das auch als Mehrheit einfach zu akzeptieren."

Die Wörter schwul oder gay als Bezeichnungen für die sexuelle Orientierung werden heute hingegen nicht mehr als beleidigend empfunden, erklärt Gruber: "Beide Adjektive waren ursprünglich abwertende Bezeichnungen für Homosexuelle. Diese Gruppen haben die Bezeichnungen aber aufgenommen und quasi ins Gegenteil umgekehrt und gesagt, wir sind stolz drauf, dass wir so sind."

Gesellschaftliche Veränderungen

Aber wie verhält es sich mit der Gleichbehandlung von Frauen und Männern? Geht es zum Beispiel zu weit, jedes Mal von Hörern und Hörerinnen oder von Bürgern und Bürgerinnen zu sprechen? Die Debatte habe ihre Berechtigung, sagt der Journalist und Co-Autor eines Buches zum Thema political correctness, Matthias Dusini: "Man könnte ja sagen, es gibt wichtigeres, die Erderwärmung, Arbeitslosigkeit - aber es gibt eben auch die andere psychische Eben, die mit Traumatisierungen und Verletzungen zu tun hat, die jetzt in unserer fortgeschrittenen demokratischen Gesellschaft als legitime Forderung und Form der Auseinandersetzung anerkannt werden."

Waren manche Wörter vor einigen Jahrzehnten noch Gang und Gebe, sind sie heute massive Beleidigungen und werden als verletzend empfunden, sagt Gruber: "Das sind zum Beispiel Bezeichnungen wie 'taub' oder 'Neger', die vor vielleicht 50 Jahren neutrale Bezeichnungen für bestimmte Gruppen waren und wo sich durch soziale und politische Veränderungen ergeben hat, dass diese Gruppen nicht so bezeichnet werden wollen." Es wäre allerdings naiv zu glauben, dass sich die Einstellung einer Gesellschaft ändert, nur wenn man Sprache ändere, sagt Gruber.

Buchtipp

Matthias Dusini, Thomas Edlinger: In Anführungszeichen - Glanz und Elend der Political Correctness; Suhrkamp Verlag 2012, ISBN 9783518126455

Service

Institut für Sprachwissenschaft der Uni Wien Homepage von Helmut Gruber