Gespräch mit Markus Hinterhäuser

Markus Hinterhäuser, der neue Intendant der Wiener Festwochen, hat heute gemeinsam mit seinem Team das Programm für das heurige Festival vorgestellt. Markus Hinterhäuser ist ja für drei Jahre bestellt, danach wird er künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele.

Kulturjournal, 24.04,2014

Zwei Wochen vor Beginn der Wiener Festwochen freut sich Intendant Markus Hinterhäuser über das "riesige Interesse" an seinem ersten Programm, für das bereits 70 Prozent der Karten verkauft wurden. Auch die nach dieser Saison wieder scheidende Schauspielchefin Frie Leysen zeigte sich zufrieden und lobte das neue Festivalzentrum im Künstlerhaus als Ort des Austauschs.

"Leichter ist es, eine Programmpressekonferenz zu machen. Jetzt kennen Sie das Programm schon seit einigen Monaten", eröffnete Hinterhäuser das heutige Pressegespräch, bei der nicht nur der Festivalfilm tiefere Einblicke in die geplanten Produktionen bot, sondern auch die Protagonisten einiger Festwochen-Highlights ihre Arbeiten vorstellten. "Ich kann Ihnen sagen, dass das Interesse am heurigen Programm riesig groß ist, wir sind sehr, sehr gut unterwegs, was den Verkauf angeht", freute sich Hinterhäuser und kündigte etwa eine Zusatzvorstellung der "Winterreise" an, bei der William Kentridge Schuberts Liederzyklus mit Hinterhäuser am Klavier und dem Bariton Matthias Goerne als "bebilderte Autobiografie" inszeniert, wie er im Festivalfilm sagte.

"Macbeth" à la Kongo

Einer der heute vorgestellten Höhepunkte ist Georg Friedrich Haas' Oper "Bluthaus", die Peter Mussbach auf der Basis des Librettos von Händl Klaus im Theater an der Wien als Uraufführung in einer Neufassung inszenieren wird. "Mich faszinieren bis hin zur Mikroskopie immer Dinge, die mit dem Abgründigen des Menschen zu tun haben", fasste der Regisseur sein Interesse an dem Stoff rund um ein Inzest-Drama zusammen. Händl Klaus gehe in "Bluthaus" wieder auf die Grundfunktion des Theatralischen zurück, "nämlich eine Geschichte über das Wunder Mensch zu erzählen".

Gleich zwei Projekte aus dem Kongo präsentierte Frie Leysen mit Brett Baileys Inszenierung von Verdis "Macbeth" und dem Musiktheaterprojekt "Coup Fatal". Fabrizio Cassol habe sich nach langem Insistieren Baileys dazu durchgerungen, Verdis "Macbeth" musikalisch zu bearbeiten, wie er heute erläuterte. Herausgekommen sei eine "starke, radikale Version, die Verdi respektiert", den Fokus jedoch in Richtung Realität gelegt habe: Die Neudeutung erzählt die Geschichte von kongolesischen Flüchtlingen; mit dabei zehn Schauspieler und zwölf Musiker.

Cassol ist es auch, der gemeinsam mit dem kongolesischen Countertenor Serge Kakudji und dem belgischen Choreografen Alain Platel die Uraufführung von "Coup Fatal" realisiert: Aus der Idee, im Kongo ein Barockkonzert aufzuführen, habe sich nun das musikalische Projekt, das auf lokale traditionelle Instrumente zurückgreift, entwickelt. Es sei nicht leicht gewesen, die kongolesische Musik mit Werken von Georg Friedrich Händel und Christoph Willibald Gluck zu kombinieren, so Cassol, der die musikalische Leitung übernommen hat. "Der Hauptbezugspunkt war die Polyphonie, die beiden Musikstilen innewohnt."

Die Bedeutung von Mahnmalen

Höchste Aktualität hat der heurige Beitrag von "Into the City": Das russische Künstlerkollektiv Chto Delat (deutsch: Was tun?) lädt das Publikum genauso wie lokale Künstler/innen ein, sich in dem multidisziplinären Projekt "Face to Face with the Monument" mit der Bedeutung von Mahnmalen und Gedenkstätten auseinanderzusetzen. Dreh-und Angelpunkt ist das "Heldendenkmal der Roten Armee" auf dem Schwarzenbergplatz. Durch die Krise in der Ukraine aktualisiere sich diese Arbeit durch die Gefahr einer Rückkehr zum Kalten Krieg, so "Into the City"-Leiter Wolfgang Schlag. Eine Achse schlägt die Installation ins Festivalzentrum im Künstlerhaus, wo einige der begleitenden Lectures, Lesungen und Filme stattfinden werden.

Das Festivalzentrum ist für Frie Leysen, die sich auch heute nicht näher zu den Hintergründen ihres frühen Abgangs äußern wollte, eine zentrale Neuerung: Normalerweise würden Künstler auf einem Festival spielen und ohne etwas anderes zu sehen wieder weiterreisen. Nun könnten sich Künstler, Publikum und Presse abseits der Veranstaltungen miteinander austauschen. "Das Theater ist nicht dazu da, um uns nur zu befriedigen, sondern zu verstören", so Leysen, "und da braucht man einen Ort, wo man Gleichgesinnte treffen kann, um seine Wunden zu lecken." Ihr Rückzug von den Festwochen nach nur einer Saison tue ihr "unglaublich leid", wie sie zur APA sagte, "aber jetzt konzentriere ich mich auf diese Edition und möchte, dass sie gut und schön und interessant wird".

Ab Samstag, 26.4., werden laut Geschäftsführer Wolfgang Wais wieder Karten für alle Produktionen aufgelegt, die nun an den Kassen gekauft werden können. Durch eine Aufhebung technischer Sperrungen sei es auch gelungen, zusätzliche Tickets für die Kraftwerk-Konzerte zu schaffen, die ab sofort nur online gekauft werden können. Traditionell keine Karten braucht man für die Eröffnung, die am 9. Mai ab 21.20 Uhr mit "Europa singt" am Rathausplatz über die Bühne gehen wird: Unter der Leitung von Cornelius Meister begleitet das RSO nicht nur den Arnold Schoenberg Chor, sondern auch all jene Chöre von Bulgarien bis Frankreich, die gemeinsam "den europäischen Gedanken demonstrieren" werden.