"Sozialmarie" für "Sozialnetzkonferenz"
Im Projekt "Sozialnetzkonferenz" wird mit Hilfe von Verwandten und Vertrauten von jungen Häftlingen versucht, ein soziales Netz zu knüpfen, das eine Haftentlassung möglich macht und die Jugendlichen von der schiefen Bahn wegbringt. Gestern ist dieses Projekt des Vereins "Neustart" mit dem "Sozialmarie-Preis" für soziale Innovation ausgezeichnet worden.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 2.5.2014
Plan mit Vertrauenspersonen
Drei Monate lang war der 17-jährige Hamid in Untersuchungshaft, bevor ein Richter seine vorläufige Freilassung beschlossen hat. Die Basis: Bewährungshilfe und eine Sozialnetzkonferenz. Dem Flüchtling aus Afghanistan werden Raubüberfälle mit einer Schülerbande in Wien vorgeworfen. Die Lehrerin Katharina Mayer, eine seiner Vertrauenspersonen, zeigt sich noch immer überrascht über die Festnahme, "weil ich das nie gedacht hätte, dass ihm so schwere Delikte zur Last gelegt werden". Denn Hamid sei eigentlich besonders zuverlässig. Als die Nachricht kommt, der Schüler im Gefängnis wünsche sich, dass sie an seiner Sozialnetzkonferenz teilnimmt, kann und will sie nicht Nein sagen.
An der vom Verein Neustart organisierten Konferenz haben dann auch die Familie des Burschen, ein Bewährungshelfer und zwei Betreuer aus dem Gefängnis teilgenommen. Die Themen: Hamids Pläne für Wiedergutmachung, seine künftige Wohnversorgung und eine sinnvolle Tagesstruktur. Erarbeitet habe das großteils er mit seiner Familie, erzählt die Lehrerin. Ihre Rolle in dem Plan: "Dass er regelmäßig die Schule besucht."
Soziale Kontrolle nimmt zu
Neben Beschäftigung und der Kontrolle des Tagesablaufs spielt vor allem gegenseitiges Vertrauen eine wichtige Rolle, sagt Neustart-Geschäftsführer Christoph Koss. 73 Sozialnetzkonferenzen hat der Verein Neustart bisher organisiert, 40 für junge Untersuchungshäftlinge. Elf Jugendliche sind zumindest mit kleinen Delikten rückfällig geworden, sagt Projektleiter Hansjörg Schlechter. Aber diese vorläufige Rückfallrate sei geringer als nach längerer Haft, weil die soziale Kontrolle stark zunimmt - durch Leute, die ein Auge auf die Jugendlichen haben und auch unterstützen können.
Laut Neustart werden aus den allerwenigstens jugendlichen, pubertierenden Straftätern später erwachsene Kriminelle. Diese Zahl weiter zu senken und Traumatisierung durch Haft zu verhindern, das sei das Ziel. Lehrerin Katharina Mayer sagt: Für Hamid sei die U-Haft zunächst ein vielleicht heilsamer Schock gewesen, aber er wäre wohl bei längerer Haft und ohne Sozialnetzkonferenz völlig verzweifelt.
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