Johann Strauss auf einem Zierkissen

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Johann Strauss (Sohn)

200 Jahre King of Pop

Er war Superstar, er war populär. Er war so exaltiert, because er hatte Flair … Was Falco vor 40 Jahren über Mozart gesungen hat, hätte auch auf Johann Strauss gepasst, dessen Geburtstag sich am 25. Oktober zum 200. Mal jährt. Tourneen, Tonträger und Tantiemen katapultierten den Sohn eines erfolgreichen Wiener Kapellmeisters gleichen Namens in lichte Höhen, die den Vergleich mit heutigen Superstars der Musikindustrie nicht zu scheuen brauchen.

Seinen Erfolg verdankte Johann Strauss nicht nur seinem außerordentlichen Talent - den ersten Walzer komponierte er im zarten Alter von sechs Jahren. Er war auch der rechte Mann zur rechten Zeit, dem es gelang, den Soundtrack einer Epoche zu prägen, die von gesellschaftlichen Umwälzungen gekennzeichnet war.

Und, nicht zuletzt verdankte er seinen Erfolg den Frauen, die ihn organisierten: Angefangen bei seiner Mutter Anna, die das Familienunternehmen Strauss formte, über seine erste Frau Jetty, die seine Managerin, Sekretärin und PR-Agentin wurde und ihn schließlich zur Operette brachte, bis hin zu seiner dritten Frau Adele, die nicht zuletzt am posthumen Ruhm des Walzerkönigs strickte.

Wo alles begann

Das Haus im ehemaligen Wiener Vorort Neubau, in dem Johann Strauss, der Sohn, zur Welt kam, steht schon lange nicht mehr. Eine Gedenktafel an der Adresse Lerchenfelderstraße 15 - vor genau 100 Jahren an der Fassade des Nachfolgebaus angebracht - erinnert noch daran. Strauss‘ Eltern heirateten im Juli 1825, da war die Wirtstochter Anna Streim schon im sechsten Monat schwanger.

Debüt unter schwierigen Bedingungen

Während der Vater, ebenso wie viele andere Schöpfer von Tanzmusik in dieser Zeit, sich erst langsam und mühsam als Musiker in Ensembles und Orchestern bis zum Kapellmeister eines eigenen Klangkörpers emporarbeiten musste, konnte der Sohn im Alter von 19 Jahren gleich bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im Oktober 1844 als Dirigent eines eigenen Orchesters vor das Publikum treten.

Dem Strauss-Debüt in Dommayers Casino, an dessen Stelle heute das Park Hotel Schönbrunn steht, war von Beginn an großes Interesse beschieden; kein Wunder, war er doch buchstäblich gegen seinen berühmten gleichnamigen Vater angetreten, der die Musikerkarriere des Nachwuchses im Allgemeinen und den ersten öffentlichen Auftritt des Sohnes im Besonderen mit allen Mitteln zu hintertreiben versucht hatte.

Die Presse titelte damals:

Gute Nacht, Lanner! Guten Abend, Johann Strauss Vater! Guten Morgen, Johann Strauss Sohn!

Schwierige Familienverhältnisse

Johann, der Vater, ein Spieler, Frauenheld und selbst aus schwierigen Verhältnissen, hatte für seinen Erstgeborenen einen kaufmännischen Beruf vorgesehen. Mutter Anna hingegen förderte den zuerst vor dem Vater geheim gehaltenen musikalischen Unterricht des Sohnes, erst recht, als ihre Ehe immer mehr zerbrochen ist.

Ab den mittleren 1830er Jahren pendelte der Vater zwischen zwei Familien - mit der Modistin Emilie Trampusch zeugte er zu den fünf Kindern, die er mit Anna hatte, weitere acht.

Nach dem erfolgreichen Start des Sohnes reichte Anna Strauss, zur damaligen Zeit mehr als ungewöhnlich, die Scheidung ein. Johann, der Sohn, hatte damals längst ins Berufsleben einsteigen wollen - jetzt musste er es, um zum Unterhalt der Familie aus Mutter, drei Brüdern und zwei Schwestern beizutragen.

Porträts der Familie Strauss

Johann, Josef, Anna und Eduard in der immersiven Strauss-Ausstellung "New Dimensions" in Wien. Die Strauss-Familie wuchs unter Annas resoluter Herrschaft zu einem veritablen Familienunternehmen heran, dem die Söhne Johann, Josef und Eduard nicht zuletzt auch ihr privates Glück unterzuordnen hatten. Den beiden Töchtern Anna und Therese war keine besondere Rolle zugedacht.

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Revolution und Reaktion

Das schwierige Vater-Sohn-Verhältnis in der Familie Strauss lässt sich auch entlang der Konfliktlinien der Revolution von 1848 erzählen. Während es in Wien zur Revolution kam, befand sich Strauss auf Konzerttournee: Pest, Belgrad und Bukarest standen in seinem Kalender. Strauss solidarisierte sich mit Aufständischen in Bukarest, die den österreichischen Generalkonsul zum Abdanken zwingen wollten, und verscherzte sich mit Kompositionen wie dem "Freiheitslieder-Walzer" und dem "Revolutions-Marsch" die Sympathien der Habsburger auf mehr als ein Jahrzehnt. Erst 1863 wurde er schließlich doch von Kaiser Franz Joseph I. zum Hofball-Musikdirektor ernannt, ein Ehrentitel der 1846 eigens für den älteren Strauss geschaffen worden war.

Dieser hingegen konnte mit dem "Radetzky-Marsch", einer im mindesten opportunistischen Anbiederung an den reaktionären Feldmarschall, dessen Truppen die Revolution in Norditalien niederschlugen, den Sohn noch ein letztes Mal musikalisch überflügeln.

Exportschlager "Wiener Walzer"

Nach dem frühen Tod des Vaters, er starb 1849 im Alter von nur 48 Jahren an Scharlach, vereinigte Strauss die beiden Orchester und machte schließlich - mehr noch als der Vater bei gefeierten Gastspielen in ganz Europa bis einschließlich Russland und später auch in Nordamerika "Wiener Musik" populär.

Aller Vater-Sohn-Konkurrenz zum Trotz sagte Strauss Jahre später, anlässlich seines 50-Jährigen Bühnenjubiläums, dass er alles seinem Vater verdanke. Sein eigener schwacher Verdienst sei die Erweiterung der Form gewesen, und meinte damit, dass seine Musik den Tanzsaal verlassen und den Konzertsaal erobert hatte.

Olga Lander

Aus: "Russen in Wien", Erich Klein (Hg.)

Strauss und Russland

Elf Saisonen lang, von 1856 bis 1886, gastierte Strauss mit seiner Kapelle in den Sommermonaten auf Einladung der russischen Eisenbahngesellschaft, die in Pawlowsk, als Fahrgastmagnet einen Konzertsaal, die so genannte Vauxhall, betrieb. Ironischerweise war ursprünglich Strauss‘ Vater für dieses Engagement vorgesehen.

Diese Aufenthalte waren auch der Grundstein einer anhaltenden Strauss-Begeisterung, die sich bis in die Zeit der Sowjetunion gehalten hatte. Hans Knappertsbusch etwa dirigierte 1929 die Leningrader Philharmonie und ab 1935 gab es in der Sowjetunion eine Art Neujahrskonzert mit Musik der Sträusse. Stalin selbst war großer Fan des Sternberg-Films "Der große Walzer" und Soldaten der Roten Armee legten 1945 am Ehrengrab des Komponisten am Wiener Zentralfriedhof Kränze nieder. Noch als die Sowjets 1955 wieder abzogen, spielte die österreichische Kapelle mangels eigener Hymne den "Donauwalzer".

London, Paris und Boston

In London dirigierte Strauss 1867 über 60 Promenadenkonzerte und brachte dieses Format der "leichten Nebenbeibeschallung" nach Wien zurück. 1867 brachte der Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn nicht nur den Beginn der Donaumonarchie, sondern auch den "Donauwalzer", den Rezensenten erstmals mit dem Prädikat "Schlager" auszeichneten. 1875 war Strauss der musikalische Star der Pariser Weltausstellung und schon drei Jahre zuvor, 1872, ließ Strauss in Boston die USA tanzen. An die 50.000 Menschen umfasste das Publikum beim "World’s Peace Jubilee". Die USA-Reise zementierte Strauss' Stellung als Superstar. Für den Auftritt als Dirigent in Boston erhielt Strauss 20.000 US-Dollar, 40.000 österreichischen Gulden, nach heutiger Kaufkraft eine halbe Million Euro. In der "New York Tribune" war zu lesen:

Die gottlosen Walzer des göttlichen Strauss treiben das puritanische Neuengland in den Wahnsinn.

Die revolutionäre Kraft des Walzers

Was heute als Walzerseligkeit daherkommt, prangerten Moralisten als Untergang des Abendlands an, in höchstem Maße sitten- und gesundheitsgefährdend: Von gebrochen Knochen bis Lungenentzündung reichten die Warnungen. Der Walzer, der zuvor noch als derber Ländler über die Bretter und gestampften Böden rustikaler Dorfschenken gewirbelt war, wurde im nachnapoleonischen Europa zum Tanz der Stunde und erst nach und nach auch in höchsten Kreisen gesellschaftsfähig.

Ob Bauer oder Edelmann, auf dem Tanzboden schienen plötzlich alle gleich. Aufklärung und bürgerliche Emanzipation waren ein fruchtbarer Boden für ein überbordendes Unterhaltungsbedürfnis, das - den "Roaring Twenties" nicht unähnlich - Ablenkung von Krieg und Metternich‘schem Polizeistaat suchte. Und Anfassen war dabei plötzlich ausdrücklich geboten. Von Musik, die nicht mehr die sozialen Klassen trennt, sondern alles umhüllt, spricht etwa der Strauss-Kenner und Dirigent Johannes Wildner im Ö1 "Radiokolleg" zum Thema "Walzer". Der Schriftsteller Michael Scharang gab seinem jüngsten Strauss-Roman gar den Untertitel: "Die Geburt des Walzers aus der Dampfmaschine".

  • Strauss-Wohnung

    Praterstraße 54. Strauss bezog die Wohnung in der Beletage auf der mondänen Jägerzeile in den 1860er Jahren als prestigeträchtiges Zeichen einer sagenhaften Karriere. Hier entstand u.a. der "Donauwalzer".

    Wien Museum

  • Hirschskulptur

    Von 1834 bis 1886 wohnten im "Haus zum Goldenen Hirschen" in der Taborstrasse verschiedene Mitglieder der Familie Strauß. Johann und sein Bruder Josef verbrachten hier bei ihrer Mutter die Jugendjahre, Eduard wurde 1835 hier geboren, und Josef ist 1870 in diesem Haus gestorben. Nach der Demolierung im Jahr 1907 ist heute nur mehr das Hauszeichen übrig.

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  • Strauss-Villa

    In der kleinen Villa in der Maxingstraße 18 in unmittelbarer Nähe zum Schönbrunner Tiergarten, wohnte Strauss 1862 bis 1878 mit seiner Gattin Henriette. Hier entstand die "Fledermaus".

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  • Gedenktafel

    An das Geburtshaus in der Lerchenfelderstraße 15 erinnert nur mehr eine Tafel. Auch das Sterbehaus in der heute nach dem Komponisten benannten Johann-Strauss-Gasse steht nicht mehr. Es fiel einem Bombentreffer zum Opfer.

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Sträusse überall

Zu Beginn der 1850er Jahre bespielte die Strauss-Kapelle acht Wiener Vergnügungslokale, darunter den Volksgarten, den Dianabad-Saal und Schwenders Neue Welt. Der kompositorische Output, um die Nachfrage nach neuen Walzern zu befriedigen ließ sich nur dadurch bewältigen, dass Johann die Melodien oft nur skizzierte und die Ausführung seinem Orchester überließ.

Strauss hetzte Abend für Abend von einem Saal zum nächsten, was erheblich an seinen Kräften zehrte. Bruder Josef wurde gedrängt, die Technikerlaufbahn aufzugeben und in die Firma Strauss einzusteigen, spätestens ab 1862 gesellte sich der dritte Bruder, Eduard, als Dirigent dazu. An Spitzentagen, etwa im Fasching, wurde die Kapelle mehrfach geteilt, und Johann ließ sich mit der Kutsche an einem Abend gleich an drei oder vier Veranstaltungsorte nacheinander bringen. So konnte Johann auch Konzerte in ganz Europa und in Übersee geben, während die Strauss-Kapelle weiterhin in Wien - unter Josefs und später Eduards Leitung - bis zur ihrer Auflösung 1901 spielte.

In Wien herrscht eine regelrechte Straussmanie, Strauss-Hüte und Strauss-Krawatten werden zu Tausenden verkauft. Heute heißt das Merchandising.

Strauss war kein Österreicher (mehr)

Dass der Großexporteur des Wiener Walzers seit 1885 evangelischer Deutscher war, genauer, Staatsbürger des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha, gehört zu den erstaunlichen Wendungen im Leben des Johann Strauss.

Scheidungssache Johann Strauss

Nachdem seine zweite Frau Angelika ihn wegen des Direktors des Theaters an der Wien verließ und beide "von Tisch und Bett" geschieden wurden, musste Strauss, um seine Adele heiraten zu können, formell die Staatsbürgerschaft wechseln. In Österreich konnten Katholikinnen und Katholiken bis 1938 nach einer Scheidung nicht mehr heiraten. Davor hatten es Adele und Johann schon mit einem Übertritt in die evangelische Kirche und mit einer Reise nach Siebenbürgen probiert - allerdings erfolglos.

Umfangreiches Werk

479 Werke mit Opus-Zahlen umfasst das Werkverzeichnis von Johann Strauss (Sohn), durchaus lang ist aber auch die Liste seiner unnummerierten Schöpfungen. Ab 1871 hat er - angeregt von Jacques Offenbach - insgesamt 15 Operetten komponiert, dazu eine Oper ("Ritter Pásmán", uraufgeführt in der Wiener Hofoper!) und ein unvollendetes Ballett. Und vollends unüberschaubar wird es, wollte man alle postumen Strauss-Bearbeitungen für Bühne und Film auflisten.

Johann Strauss starb am 3. Juni 1899 im Alter von 73 Jahren; Alma Schindler, die spätere Alma Mahler-Werfel hat damals in ihr Tagebuch geschrieben: "Das größte musikalische Genie, das je gelebt hat. Dieses prickelnde, sich schwingende, elegante - man kann nicht die Worte finden, was in seinen Walzern liegt. Ich stell ihn neben Schubert und Brahms, er war ein Classiker."

Der mechanische Strauss

Strauss war der Popstar der heraufziehenden Unterhaltungsindustrie. Wie die Musikwissenschaftlerin Isabella Sommer in dem Sammelband "Johann Strauss-Topographien" schreibt, waren mechanische Musikinstrumente und frühe Aufnahmetechniken, die ersten Medien, die zur Popularisierung der Musik der Familie Strauss wesentlich beitrugen. Von allgegenwärtigen Drehorgeln bis zu enorm kostspieligen Orchestrions und mechanischen Klavieren reichte die Bandbreite der technischen Reproduzierbarkeit der Strauss’schen Melodien.

Ein erstes Massenmedium war das 1882 entwickelte Ariston, "eine mit Handkurbel an-getriebene Zungendrehorgel mit einer auswechselbaren Kartonplatte von 33 cm Durchmesser, die als Tonsteuerungsregler fungierte", wie Sommer schreibt. Innerhalb von etwas mehr als zehn Jahren wurden 400.000 Aristons mit etwa fünf Millionen No-tenblättern verkauft und Walzer von Strauss waren ein fixer Bestandteil dieses Katalogs.

Service

Isabella Sommer (Hg.), "Johann Strauss-Topographien", Hollitzer Verlag.
Der Sammelband mit zehn Beiträgen aus der gleichnamigen Ringvorlesung der Universität Wien im Sommersemester 2025 behandelt unter anderem die Themen Johann Strauss und das Image der Stadt Wien, die politischen Bezüge in seiner Musik, die verschiedenen sozialen Räume der Tanzkultur, die privaten und öffentlichen Orte der Produktion und Rezeption, die Popularisierung seiner Musik durch mechanische Musikinstrumente und frühe Aufnahmetechniken, Strauss in populärer Musik und in neuen Medien im 20. Jahrhundert, Strauss in Südosteuropa sowie in Zusammenhang mit den musikalischen Topoi der ungarischen Roma sowie die Frage, ob Strauss & Co. eine Familie oder eine Dynastie waren.

Mit Beiträgen von Barbara Babic, Michele Calella, Marion Linhardt, Anita Mayer-Hirzberger, Gunhild Oberzaucher-Schüller, Oliver Rathkolb, Isabella Sommer, Wolfgang Stanicek und Melanie Unseld

Johann Strauss 2025 Wien
House of Strauss - Casino Zögernitz
Johann Strauss Museum - New Dimensions
Jüdisches Museum Wien - Geheime Reichssache "Johann Strauss"

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