Lettland: Russische Minderheit voran

Am 25. Mai finden die Wahlen zum EU-Parlament statt, nicht nur in Österreich, sondern in allen Mitgliedsstaaten. Lettland ist seit 2004 Mitglied der Europäischen Union und seit 1. Jänner auch in der Eurozone. Laut Umfragen wird die Partei der Russischen Minderheit bei der Wahl stimmenstärkste Partei werden - eine Art Generalprobe vor den Parlamentswahlen im Herbst.

Monumente in Lettland

(c) Müller-Schinwald, ORF

Morgenjournal, 10.5.2014

Lob auf die Sowjetunion

Ein großer Roter Stern hängt über der Bühne neben dem Kriegerdenkmal in Riga, dazu das Wort Sieg auf Russisch und Lettisch, eine Gruppe junger Frauen singt ein bekanntes sowjetisches Lied, in dem sich ein Soldat der Roten Armee an den Frühling 1945 in Wien erinnert: Donau, russischer Walzer. Mehrere tausend Menschen sind gekommen, Veteranen des zweiten Weltkrieges mit ihren Orden, Familien, es gibt Zuckerwatte, Eis und Gegrilltes. Doch die Stimmung ist nicht nur festlich. Das zeigt sich als einige Aktivisten mit Fahnen der Volksrepublik Donbas auftauchen.

Bei der Mehrheit der russisch-sprachigen Bevölkerung haben die dortigen Ereignisse Enthusiasmus und Hoffnung hervorgerufen, Hoffnung dass auch hier die Sprachenfrage gelöst wird, die Bildungsfrage. Alle verstehen, dass Russland aktiver geworden ist und ohne diese Unterstützung geht es hier nicht, sagt einer der Fahnenträger. Molodzi seien das, nicken die umstehenden Pensionistinnen anerkennend - tolle Kerle. Amerika sei an allem schuld, meint ein junger Mann mit Springerstiefeln und einem Barett der russischen Fallschirmjäger und findet mit dieser Meinung breiten Zuspruch. Die Junta in Kiew, die die Leute ermorde, müsse streng bestraft werden, ruft ein Mann. In der Sowjetunion sei einfach alles alles besser gewesen, erzählt eine Pensionistin, Russland, Weißrussland, Ukraine - das sei doch alles ein Volk, Orthodoxie, unzertrennbar.

Beschimpfung des Westens

Verbunden wird das mit der Beschimpfung des Westens, Hitler sei Österreicher gewesen, die Fragen eine Provokation, der Reporter ein Faschist und so weiter. Wenn Sie sehe, dass jetzt Nato-Truppen in Lettland stehen, tue ihr das Herz weh, seufzt eine ältere Frau mit einem glänzenden Roten Stern an der Bluse. Auf der anderen Seite der Stadt sieht man das anders, im Okkupationsmuseum, in dem an die Schrecken der sowjetischen Besatzung erinnert wird. Einer der Gründer des Museums, Valters Nollendorfs floh als Kind vor der Roten Armee und kehrte erst in den 1990ern wieder zurück, nachdem er im Ausland eine Karriere als Germanist gemacht hatte. Wladimir Putin wolle das russische Imperium wieder errichten - das habe der Westen noch nicht verstanden.

Dass diese Grünen Männchen - eine Bezeichnung für die russischen Spezialeinheiten, die die Annexion der Krim vorbereitet haben, bei der russischen Bevölkerung Lettlands mit breiter Zustimmung rechnen könnten, glaubt Nollendorfs allerdings nicht. Im Zusammenleben gebe es keine Probleme. Das bestätigt auch Solvita Denisa-Liepniece - Redakteurin beim russischen Dienst des staatlichen Fernsehens. Die lettische Politik habe sich jahrelang nicht darum bemüht auf die russische Minderheit zuzugehen - und bekomme dafür jetzt die Rechnung präsentiert.
 
Wenn wir uns die Rhetorik der Leute an der Macht anschauen sagen sie oft: Für Euch ist hier kein Platz, sie stoßen sie selbst in Richtung Kreml. Gleichzeitig heißt es dann von den Politikern immer wieder: Wir sind als nächste dran! Bei den EU-Wahlen wird die Partei der russischen Minderheit laut Umfragen stimmenstärkste Kraft werden - und das wird die Stimmung weiter anheizen - bis zu den Parlamentswahlen im Herbst. Die Menschen leben gut miteinander, meint Die Journalistin. Aber in der Politik funktioniere die ethnische Karte immer noch zu gut, als dass die Politiker glauben, darauf verzichten zu können.

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