Text mit NS-Ideologie zur Deutschmatura
Die Pannenserie bei der Zentralmatura reißt nicht ab. Und die bisherigen Probleme, nachträgliche Verschärfung der Benotung oder unvollständige Mathematikaufgaben, wirken harmlos im Vergleich zur Deutschmatura: Wie die IG Autoren aufgedeckt und die "Salzburger Nachrichten" berichtet haben, wurde den Schülern ein Text mit NS-Ideologie zur Interpretation vorgelegt - allerdings ohne den geringsten Hinweis auf Nationalsozialismus oder die Vergangenheit des Autors.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 13.5.2014
Autor einschlägig bekannt
Es geht um einen Text des deutschen Autors Manfred Hausmann. Der schrieb unter anderem für die nationalsozialistische Propagandazeitschrift "Das Reich".
In dem zur Matura vorgelegten parabelartigen Text von 1947 findet ein Gärtner im Salatbeet eine Schnecke. Er nimmt sie in die Hand, betrachtet die Schönheit des Schneckenhauses und meditiert dann über wörtlich "das Schöne und das Nützliche". Zitat: "Immer führen die Gegensätze, mag es sich um die Schnecke und das Salatblatt oder...um die Krankheit und den Arzt, mag es sich um das Blut und den Geist oder um das Schicksal und den Willen handeln, immer führen die Gegensätze auf die entscheidende Frage zurück, ob der Mensch, weil er ein Wissender und Wollender ist, an der Natur und also auch an sich selbst schuldig werden muss."
Kein Verweis auf NS-Zusammenhang
Der Gärtner trifft in Hausmanns Text dann die Entscheidung: Die Schnecke als Schädling muss getötet werden, auch wenn das dem Gärtner nicht leicht fällt. Zitat: "Ein mythisches Grauen steigt in ihm auf. Ihm ist, als wäre er jetzt erst, in diesem Augenblick erst, verloren in Sünde und heilloser Zerrissenheit."
So endet der Text. Aufgabe der Maturantinnen war es dann allerdings nicht, etwa über die nationalsozialistische Ideologie und den Wert des Lebens zu reflektieren oder über Erklärungsmuster von NS-Tätern, eigene Verbrechen zu entschuldigen. Gefragt war vielmehr Allgemeines über Natur und Leben. Ohne jeden Hinweis auf den Zeitbezug, ohne jeden Hinweis auf Nationalsozialismus, auf Euthanasie oder Holocaust. Auch die Biografie des Autors bleibt unerwähnt, die Maturanten erhielten nur Angaben aus einem älteren Literaturlexikon, in dem nichts über die Zeit zwischen 1933 und 1945 steht.
BIFIE räumt Fehler ein
Auf die Problematik hat in den Salzburger Nachrichten der Germanist Karl Müller hingewiesen. Die "IG Autorinnen / Autoren" hat einen offenen Brief an Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek geschickt, mit einer Analyse des Textes und Hinweisen auf die eigentlich seit Jahren bekannte Tätigkeit Hausmanns in der nationalsozialistischen Propaganda.
Zuständig ist das Bildungsforschungsinstitut BIFIE, zuletzt mehrfach unter Druck wegen Pannen bei der Zentralmatura. Die Unterrichtsministerin sagt heute: "Ich werde diese Woche noch, nicht nur aufgrund dieses Textes - das habe ich auch jetzt erst erfahren - sondern auch aufgrund der anderen Kommunikationsprobleme beide Direktoren bei mir haben und auch dieses Thema mit ihnen besprechen."
Vom BIFIE selbst heißt es in einer Stellungnahme, man nehme die Kritik ernst. Eine Verdeutlichung des historischen Kontexts und insbesondere ein klarer Hinweis auf die Rolle Hausmanns im Nationalsozialismus hätten den problematischen biographischen Hintergrund des Autors transparent gemacht. Dies wäre sinnvoll und notwendig gewesen.