"Die letzten Zeugen" in Berlin

Eine Einladung zum Berliner Theatertreffen ist eine sehr begehrte Auszeichnung. Heuer ist eine einzige österreichische Produktion dabei, nämlich "Die letzten Zeugen", ein Stück mit Holocaust-Überlebenden, das Doron Rabinovici und Ex-Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann für das Burgtheater entwickelt haben.

Die letzten Zeugen

(c) APA/BURGTHEATER/REINHARD MAXIMILIAN

Kulturjournal, 15.05.2014

Ari Rath ist einer von sechs Holocaust-Überlebenden, die sich mit ihren Lebens- und Leidensgeschichten einem Theaterpublikum aussetzen, von dem sie nie wissen, wie es reagieren wird.

Auch Schoschana Rabinovici empfindet die Abende als sehr anstrengend. Schoschana Rabinovici hat als Neunjährige das jüdische Ghetto von Wilna und später zwei Konzentrationslager überlebt. Sie ist die Mutter des Regisseurs Doron Rabinovic. Er sagt, mit seiner Mutter habe alles angefangen, sie sei der Maßstab gewesen.

Die sechs Überlebenden sitzen hinter einem durchsichtigen Vorhang, auf den ihre Gesichter projiziert werden. Vorne - näher beim Publikum - stehen Schauspieler und lesen aus Briefen, Erinnerungen, Tagebüchern dieser letzten Zeugen vor. Schoschana Rabinovici hat als junges Mädchen ihre traumatischen Erlebnisse in Gedichten auf Jiddisch verarbeitet. Doch ihre Mutter wollte das nicht, ihre Mutter wollte vergessen. Erst viel später hat sie ihre Erinnerungen in einem Buch verarbeitet - gegen das Vergessen.

Und genau das ist das Motiv, das auch die anderen Zeitzeugen wie Rudolf Gelbard dazu bewegt hat, bei dem ungewöhnlichen Theaterprojekt mitzumachen. Auf der Bühne erinnert er sich, wie die Nachbarn nach Kriegsende auf die Rückkehr der Familie Gelbard reagiert haben.

Stille nach dem Lied

Während man als Zuschauer die unvorstellbaren Grausamkeiten erzählt bekommt, die die Nationalsozialisten diesen Menschen und ihren Familien angetan haben, kann man die ganze Zeit den Betroffenen ins Gesicht sehen. Das ist ein Erlebnis, das das Berliner Publikum ganz offensichtlich sehr berührt.

Die Vorstellung endet mit einer Videoeinspielung, in der die Künstlerin Ceija Stojka ein Lied singt. Sie stammt aus einer Roma-Großfamilie und hat drei Konzentrationslager überlebt. Ihr Volk wird bis heute in ganz Europa verfolgt und diskriminiert. Ceija Stojka wollte auch als Zeugin auftreten, ist aber vor der Premiere verstorben. Ihr Sessel steht trotzdem auf der Bühne. Er ist leer - eine schweigende und trotzdem sehr eindrückliche Erinnerung daran, dass es schon sehr bald keine letzten Zeugen mehr geben wird. Auch das war eine Motivation für Doron Rabinovici, sich auf das Projekt einzulassen.

Als der letzte Ton von Ceija Stojkas Lied verklungen ist, bleibt es einen kurzen Moment ganz still im großen Theatersaal im Haus der Berliner Festspiele und dann erhebt sich das Publikum wie ein Mann und applaudiert den letzten Zeugen.

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Berliner Fesspiele - Theatertreffen