Ghetto-Drama "Lauf Junge lauf"
Mit neun Jahren gelang dem Juden Yoram Fridman die Flucht aus dem Warschauer Ghetto. Es folgte eine Odyssee durch Polen. Später schrieb der Autor Uri Orlev, der ebenfalls im Warschauer Ghetto war, die Erlebnisse Fridmans in seinem Buch "Lauf Junge lauf" auf, das in 15 Sprachen übersetzt wurde. Nun hat der deutsche Regisseur Pepe Danquart das Buch verfilmt.
8. April 2017, 21:58

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Mittagsjournal, 27.5.2014
Als die Gelegenheit günstig ist, flieht der kleine Skrulik aus dem Warschauer Ghetto. Doch nach der Flucht kommt das Überleben. Neben Hunger und Kälte ist in den Kriegswirren die jüdische Herkunft die größte Gefahr, doch der Neunjährige hat stets den Rat seines Vaters im Ohr: "Du darfst nie vergessen, dass du ein Jude bist!"
Herkunft verleugnen
"Lauf junge Lauf" ist eine Ansammlung von Abenteuermomenten unter besonderen Umständen. Aus dem jüdischen Srulik wird der polnische Jurek, doch allein ein anderer Name bietet wenig Schutz. Ständig muss der Bub auf der Hut sein: Wer ist hier Freund, wer Feind? Wem kann man vertrauen und wer bietet tatsächlich Hilfe an und wo lauert der Verrat? Und vor allem: Wie verleugnet man glaubhaft die eigene Herkunft?
Realistische Bilder
Das Changieren mit der Identität zieht sich durch den gesamten Film und wird immer wieder auf neue Proben gestellt. Regisseur Bepe Danquart arbeitet sich an den inneren Konflikten und vor allem einer zunehmenden seelischen Heimatlosigkeit des Buben ab. In der Umsetzung dieses Entfremdungsprozesses bleibt Danquart visuell nahe an der Wirklichkeit, ohne allzu bekannte Bilder zu strapazieren. Bepe Danquart: "Man braucht heute das Warschauer Ghetto nicht mehr ausdrücklich zu zeigen, weil diese Bilder sind ohnehin längst im Gedächtnis der Menschen verankert."
Pathostreibender Soundtrack
Leider bleibt die Sache nicht pathosfrei. Ausführlich lässt sich Danquart musikalisch unterstützen, ein Soundtrack, der dem Realismus der Bilder entgegenarbeitet. Zwischendurch gönnt der Film dem Zuseher fast wie eine Art Trostpflaster unbeschwerte, ja fast komische Momente, etwa wenn Jurek, der durch einen Ernteunfall einen Arm verliert, schon mal ins Flunkern gerät: Hitler persönlich habe ihm den Arm abgehackt.
Biografische Wahrheit
Doch auch hier steckt ein Überlebensmotiv dahinter. Sicher hätte Regisseur Danquart den Ball manchmal flacher halten können, doch nie tauscht er die biografische Wahrheit auf unredliche Weise gegen die Ausschlachtung der Emotionen, die in dieser Geschichte stecken. "So war es" stellt auch Yoram Fridman der Darstellung seiner frühen Lebensgeschichte letztlich ein gutes Zeugnis aus.