Bibelkommentar zu Matthäus 28, 16 - 20
„Christ fuhr gen Himmel, aber keineswegs in die Höhe“. So beginnt ein Lied von Alois Albrecht, einem Pionier des Neuen Geistlichen Liedes in Bamberg.
8. April 2017, 21:58
„Denn wer da meint“, heißt es darin weiter, „der Himmel sei oben, versteht ihn als Raum wie die Welt oder das All oder die Atmosphäre. Himmel aber“, und damit schließt die erste Strophe, „Himmel aber ist Gott selber.“
„Christ fuhr gen Himmel“: Vieles lässt sich darüber bei Lukas nachlesen. Denn nur er erzählt faszinierend über Christi Himmelfahrt, und zwar gleich doppelt: einmal als großes Finale in seinem Evangelium, und ein zweites Mal als Auftakt zu seiner Apostelgeschichte; dieser Text dient an diesem Feiertag in der römisch-katholischen Liturgie als 1. Lesung.
„Christ fuhr gen Himmel“: Bei Matthäus ist davon keine Rede. Der eben gehörte Abschnitt aus seinem Evangelium setzt ganz andere Akzente. Ein erstes Leitwort ist „Galiläa“. Jene Gegend im Norden Israels also, am See Gennesaret, in der Jesus gelebt hat. „Galiläa“ wird schon im ersten kurzen Resümee seines Wirkens betont. „Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen“, so wörtlich Matthäus, Kapitel 4, „verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden” (Mt 4, 23). Im Gebiet seines irdischen Auftretens – und damit schließt sich der Kreis –, „in Galiläa“ wird auch der Auferstandene erscheinen. Das lässt Matthäus gleich dreimal ankündigen. Etwa durch den Engel an die Frauen beim leeren Grab: „Er ist von den Toten auferstanden“, heißt es da, „er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen“ (Mt 28,7).
Galiläa: fast immer habe ich dort meine Israelreisen begonnen; meist elf Tage lang, von Christi Himmelfahrt bis Pfingstsonntag, oft mit angehenden Religionslehrerinnen. „Galiläa, das ist für mich Heimat, da fühle ich mich wie zu Hause“, sagte einmal eine von ihnen zu mir. „Nazareth, Kafarnaum, Tiberias. Und erst recht der emotionale Höhepunkt unserer Reise: der Berg der Seligpreisungen“!
Der Berg der Seligpreisungen und der Berg, wo der Auferstandene seinen Jüngern begegnet: das ist für Matthäus keine geographische, sondern eine theologische Perspektive; ebenso wie der Berg der Versuchung und der Berg der Verklärung. Nach „Galiläa“ ist nämlich „Berg“ ein zweites Leitwort, ein wichtiges Symbol in diesem Bibeltext.
Berg: Bei Matthäus findet sich dieser Begriff öfter als bei Markus, Lukas und Johannes zusammen. Mit Óros, Berg, greift er eine Vokabel der Septuaginta auf, der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel, die weitgehend identisch ist mit dem christlichen Ersten Testament. Matthäus – auch griechisch im Original – setzt Óros, Berg, als ein Stilmittel ein, um Jesus als „zweiten Mose“ darzustellen. Am Óros Sina, so die Septuaginta, am Berg Sinai empfängt Mose die Weisungen für das Volk Israel. Auf einem Óros, so Matthäus, auf einem Berg in Galiläa, erteilt Jesus seine Weisungen für das neue Volk Gottes. Als „Berg“-Predigt komponiert Matthäus die erste der fünf großen Reden Jesu: eine klare Parallele zu den fünf Büchern des Mose.
Auf dem Óros Nabau, so die Septuaginta, auf dem Berg Nebo in Jordanien, nimmt Mose Abschied von den Israeliten und sendet sie in „ein Land voller Korn und Wein, dessen Himmel Tau träufeln lässt“ (Dtn 33,28). Auf einem Óros, so Matthäus, auf einem Berg in Galiläa, sendet Jesus seine Jünger zu allen Völkern: „Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“. Und er nimmt nicht Abschied von ihnen, so der letzte Vers des Evangeliums nach Matthäus: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20).
„Christ fuhr gen Himmel“, meditiert Alois Albrecht in der letzten Strophe seines Liedes, „Christ fuhr gen Himmel, das kann nur heißen: Er ging ins Herz aller Dinge, in Gott ein. Dort ist er“, singt der Liedermacher in seiner Schlusszeile, „dort ist er für immer der Welt und den Menschen näher als sie es sich selbst sind“.