Die "Café Sonntag"-Glosse von Severin Groebner

Revolution!

Ist eine echte Revolution heute noch möglich? Wir wollten das von unserem Experten wissen, dem Vorsitzenden des Instituts für global-intransparente Transaktionen, kurz IGIT.

Ich bitte Sie, was reden Sie denn da? Revolution? Woins mi heckerln? Was soll denn das? Ich weiß … Arbeitslose gibt es … tragisch. Für die einzelnen Menschen sicher schlimm. Allein dieser Verlust des Selbstwertgefühls. Ich kann mir das durchaus vorstellen. Ich fühl mich natürlich auch besser, wenn mir zwischen zwei Millionendeals in meinem Privatflugzeug meine Sekretärin die Fußnägel schneidet. Da versteh ich schon, dass des für einen hocknstadn Schulabbrecher mit Alkoholproblem dann vielleicht nicht so gschmeidig ist, klar … Aber ich sag Ihnen was, da muss man eben kreativ sein. Initiative ergreifen. Ich mein, wozu haben wir denn die ganzen Ausländer?

Die kann man sich doch anschauen und sagen: wenigstens bin ich keiner von denen. Und schon fühlt man sich besser. Und wenn du selber Ausländer bist, dann nimmst halt einen mit einer anderen Religion, Hautfarbe oder sexuellen Orientierung und bastelst dir da was Schönes zusammen. Niemand muss sich schlecht fühlen. Jeder kann sich irgendwen suchen, auf den er hinunter blicken kann. Das ist doch gscheiter als so eine Revolution.

Überhaupt … wer soll denn die machen?
Die angesoffenen Halbsandler vom Bahnhof? Die kann man doch schon mit einem Sixpack umstimmen. Die schlechtbezahlten Facharbeiter? Geh, ein bisserl Oleoleoleole im Stadion, fünf Bier am Samstag und a Nackerte in der Zeitung - und passt. Und wer dann noch weiter redet, dem mach ma a bisserl Angst vorm Islam oder wir denken laut über die Verlagerung vom Arbeitsplatz in ein Billiglohnland nach … und: Ruhe.

Oder meinen Sie vielleicht die durchgehipsterten Bürgerkinder, die sich für Linke halten, nur weil sie ein bissi was gegen Nazis haben? Geh! Die glauben ja schon eine Online-Petition ist Realpolitik. So lang die keine Revolution-App zum Download finden, gehen die doch nicht einmal außer Haus. Und wenn, müssen sie vorher noch recherchieren, was der voll korrekte Rebel-Look ist.

Die bürgerliche Mittelschicht? Die kommen doch zwischen Pränatal-Chinesisch-Kurs für die Kleinen, Rotwein-Seminar und "Wie beschwer ich mich richtig"-Selbsthilfegruppe nicht einmal zum Atem holen. Und bevor die sich mit einem Mitglied, das nicht Ihrer Designer-Küchen-Kaste entstammt, solidarisieren, wird der Fritzl Menschenrechtsbeauftragter der UNESCO.

Die Pensionisten? Ah geh, die demonstrieren höchstens für das Recht, dass ihre Drecksköter auf den Kinderspielplatz kacken dürfen ... Und selbst wenn, dann mach ma halt ein Benefizkonzert mit Florian Silbereisen, Andre Rieu und Placido Domingo zugunsten hungerleidender Tauben auf Teneriffa, dann ist der Kaas a bissen.

Die Bauern? Ja, die san scho gfährlich … klar … der letzte Aufstand von denen ist 500 Jahr her.
Überhaupt, Revolution, warum eigentlich? Es passt doch alles. Die Banken werden gerettet, das Recht auf sinnlos ausschweifenden Reichtum bleibt unangetastet, die Vollpfos … die Vollpolitiker dürfen sich alle paar Jahre mal wieder wählen lassen, mein Butler freut sich, wenn er mir was zu trinken bringen darf, und wir können alle miteinander die Weltmeere weiterhin als Mistkübel benutzen. Wo ist also das Problem? Ich mein: Schöner geht’s doch kaum.

Danke für das Gespräch.