"Antisemitisch": Streit im Haus Le Pen

Der Gründer der rechtsextremen Front National (FN) in Frankreich, Jean-Marie Le Pen, hat erneut mit einer als antisemitisch eingestuften Äußerung für Empörung gesorgt. Am Sonntag distanzierten sich sogar Parteikollegen und seine Tochter, Parteichefin Marine Le Pen, von seinen Äußerungen über FN-Kritiker.

Mittagsjournal, 10.6.2014

Aus Paris

Antisemitische Äußerung gegen Künstler

Auf der einen Seite Marine Le Pen: die Rechtspopulistin, die Gegnerin des Euro und der EU. Auf der anderen Seite: ihr Vater, der immer wieder mit rassistischen und antisemitischen Aussagen die rechtsextreme Wählerschaft des Front National bedient. Das war bisher für Frankreichs Rechtspartei eine ganz bewusste Doppelstrategie. Doch die aktuellen antisemitischen Aussagen ihres Vaters kann Marine Le Pen nicht gebrauchen.

Der Parteigründer Jean-Marie Le Pen hat sich in einem Video über französische Künstler beschwert, die nicht in vom Front National regierten Städten auftreten wollen, mit den Worten: "Wissen Sie, das nächste Mal machen wir eine Ofenladung." Für die Parteichefin Marine Le Pen ist der Ausspruch ihres Vaters ein klarer politischer Fehler. Der Vizepräsident des FN, Florian Philippot, sagte in einem französischen Radiointerview: "Der politische Fehler in dieser Aussage liegt einfach darin, dass Jean-Marie Le Pen hätte wissen müssen, welche Reaktionen er damit auslöst. Die französischen Medien wollen doch alle zwei Wochen einen Skandal um den Front National, sonst haben sie einfach keinen Spaß."

"Gleichgewicht gesprengt"

Erst vor der EU-Wahl hatte Jean-Marie Le Pen mit der Aussage, der Ebola-Virus würde Probleme der Immigration lösen, für große Empörung gesorgt. Marine Le Pen stellte sich damals hinter ihren Vater. Doch nach dem Erfolg bei der EU-Wahl, bei der der Front National als stimmenstärkste Partei in Frankreich hervorgegangen ist, fürchtet Marine Le Pen, durch die Aussagen ihres Vaters ihr nächstes Ziel nicht erreichen zu können: die Gründung einer Fraktion von Europas populistischen und rechtsextremen Parteien im EU-Parlament.

Doch der 68-jährige Jean-Marie will seinen Einfluss in der Partei nicht verlieren. Heute hat er der neuen Führungsriege rund um seine Tochter vorgeworfen, einem politisch-korrekten Einheitsdenken verfallen zu sein. "Jean-Marie Le Pen hat mit seiner Aussage das zarte Gleichgewicht zwischen zwei Polen in der Partei gesprengt", sagt eine "Le Monde"-Journalistin, "doch Marine Le Pen kann dagegen nicht viel tun." Ihr Vater sei Ehrenpräsident auf Lebenszeit, freiwillig werde er nicht zurücktreten. Außerdem sei er gewählter Abgeordneter im EU-Parlament und Anführer einer wichtigen Gruppierung innerhalb des Front National, der für die Finanzierung der Partei sehr wichtig ist.

Für Marine Le Pen ist der Spagat zwischen dem rechtsextremen Lager und ihrem Anti-EU-Populismus eine Zerreißprobe – ausgelöst ausgerechnet von ihrem eigenen Vater.