Die "Café Sonntag"-Glosse von Franz Schuh

Am Donauinselfest

Ich bin ein Veteran - nicht nur, weil ich abgekämpft bin, sondern auch, weil ich immer schon dabei war: Ich war dabei, als das Donauinselfest zum ersten Mal stattfand, und auch wenn es heute niemand glauben kann, damals war ich fast allein dabei.

Heute ist das Fest eine Massenveranstaltung, aber ganz zu Anfang hatten zum Beispiel wir Literaten auf der Donauinsel eine kleine Hütte, vor der wir mit einer Lesung aus eigenen Werken auftraten.

So weit so schlecht - das Problem war nur, dass nicht ein Mensch uns hören wollte, wir hatten nicht einen Zuhörer, aber um das Honorar zu erhalten, las ich ins Leere. Alles wurde korrekt abgewickelt und die absolute Sinnlosigkeit eines Auftritts vor Niemandem gehört bis heute zu den schönsten Erfahrungen meines Lebens mit der Literatur.

Dabei hatte ich immer einen Hang zum Tingeltangel. Tingeltangel ist ein meist abwertend gebrauchtes Wort für ein Varieté, für ein billiges Tanzlokal oder eine wandernde Kleinkunst-Darbietung. In meinem Sprachgebrauch ist da aber nichts Abwertendes. Den Gigantenkampf ums Publikum, körperlich bestanden auf einer kleinen Bühne, die garantiert nicht die Welt bedeutet und von der man bei einem Schritt zu viel schon runterfällt und sich alle Knochen bricht - das ist etwas anderes als vor einer Fernsehkamera posieren und nach der Aufnahme hinter den Kulissen zu verschwinden. Würde ich das Leben beschreiben, ich würde den Satz von Michael Niavarani aus dem Zusammenhang reißen - den Satz, der da lautet: "Mitten in der furchtbaren Tragödie kommen zwei Komiker vor."

Ich würde, um das Leben zu veranschaulichen, die Zahl der Komiker und Komikerinnen erhöhen, aber die Tragödie des Daseins symbolisiert schon allein jeder einzelne Komiker, der am Donauinselfest im Ö1 Zelt sein Programm spielt. Vitásek zum Beispiel. Bevor er auftritt, scheint der Lärm im Zelt undurchdringlich, die Leute sind in Massen gekommen und es ist der Masse eingeschrieben, sich nicht unbedingt konzentrieren zu wollen. Auf ihn aber ja. "Je mehr reinkommen ins Zelt", so begann Vitasek 2011 sein Programm "desto besser, weil ich glaub, es wird zum regnen anfangen", und er fügte hinzu, dass es zieht im Zelt, er aber darüber nicht ausführlich werden würde wie diese Suderanten, die im Wehklagen über ihre gesundheitlichen Anfälligkeiten verschleiern, dass sie ihre Schäfchen längst ins Trockene gebracht haben und dass es ihnen mehr als gut geht.

Dann folgte auf der Bühne Vitáseks "Fiebermonolog", ein Hypochonder-Diskurs par excellence - es ist der Schmäh, mit dem man die Leute nehmen kann, aber ich, der ich einst - ohne auf den geringsten Widerstand zu stoßen - im Donauinselfest aufgetreten bin, frage mich: Was ist, wenn's nicht funktioniert, wenn ein Text nicht gegen den Lärm der Masse ankann, wenn ein Künstler, so wie ich es bei Roy Black gesehen habe, auf der Bühne vereinsamt, weil ihn die Leute nicht mehr wollen?