Brasilien: Die WM und das Geschäft mit Sex

Eine der hässlichsten Seiten von sportlichen Großereignissen ist sexuelle Ausbeutung - auch bei der WM in Brasilien, wo unter den Opfern auch Kinder und Jugendliche sind. 600.000 WM-Touristen reisen durchs Land, das, so die brutale Rechnung, erhöht die Nachfrage nach gekauftem Sex. Zuhälter werben seit Monaten minderjährige Mädchen und Burschen an, Regierung und Polizei gehen nicht gerade entschlossen dagegen vor.

Morgenjournal, 21.6.2014

Aus Brasilien

"Wegen der WM hingeschaut"

Abends an der Copacabana in Rio de Janeiro: Das letzte Match des Tages ist vorbei, ausländische und brasilianische Fans stürzen sich ins Nachtleben, Alkohol fließt in Strömen. Am Eröffnungstag der WM schloss die Polizei hier an der Copacabana, ganz in der Nähe vom "Fifa FanFest", ein Hotel sowie eine Bar: In den beiden Lokalen seien minderjährige Mädchen als Sexarbeiterinnen tätig gewesen, erklärt Sento-Se, Leiterin von "ECPAT Brasilien". Die internationale NGO-Plattform widmet sich dem Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen.

"Da hat die Polizei wegen der WM hingeschaut", meint Tiana Sento-Se. Denn Anrainer hätten sich schon oft über diese Etablissements beschwert. Dass die Polizei ausgerechnet jetzt zugegriffen habe, sei kein Zufall. Die Aufmerksamkeit der Polizei sei im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft gestiegen, meint Sento-Se, denn jetzt seien alle Augen auf Brasilien gerichtet. Was aber nicht gestiegen sei, seien die finanziellen und personellen Ressourcen, die die Polizei für die Bekämpfung von Kinderprostitution zur Verfügung hat, kritisiert die Kinderrechtsaktivistin. Die brasilianische Polizei habe sich intensiv vorbereitet auf die Bekämpfung von Terrorismus und Demonstrationen während der WM, aber nicht auf das steigende Problem der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Das überlasse man lieber den NGOs.

Warten auf den Traumprinzen

Auch in Sao Paulo hat die Polizei im vergangenen Jahr immer wieder Fälle von Kinderprostitution in der Nähe des Fußballstadions Itaquerão entdeckt. In der WM-Stadt Cuiabá wird gegen einen Zuhälterring ermittelt, der Minderjährigen umgerechnet 4.000 Euro für Sexarbeit während des WM-Monats geboten haben soll. Im ärmlichen Nordosten würden Teenager aus dem Landesinneren auch auf eigene Faust in die WM-Städte fahren, um Geld mit Touristen zu verdienen, erzählt Tiana Sento-Se: Manche Mädchen würden auch auf den Traumprinzen hoffen, der sie mit nach Europa nimmt.

Kurz vor der WM hat Brasilien das Gesetz gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen verschärft. Wegen Pädophilie vorbestraften Menschen wird die Einreise verweigert. Für Hotelpersonal wurden spezielle Schulungen organisiert, um die Angestellten auf das Thema zu sensibilisieren. Auf den Flughäfen der WM-Austragungsstädte werden Aufklärungsbroschüren verteilt. "Schau nicht weg!", lautet das Motto. Bereits vor zwei Jahren hat ECPAT Europa ein Internetportal eingerichtet: Auf http://www.reportchildsextourism.eu/ können europäische Touristen melden, wenn sie irgendwo im Ausland Fälle von Sextourismus mit Minderjährigen beobachtet haben. Denn das kann auch im Herkunftsland verfolgt werden.