Neuer Roman von Marlene Streeruwitz

Marlene Streeruwitz zählt zu den wichtigsten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. 2011 war sie mir ihrem bisher letzten Roman "Die Schmerzmacherin" für den Deutschen Buchpreis nominiert. Der Buchpreis, die Literatur und "der Betrieb" - das ist auch ein zentrales Thema in ihrem jüngsten Roman "Nachkommen".

Morgenjournal, 26.06.2014

"Ich kritisiere nicht. Ich lehne ab. Ich lehne jede Verantwortung ab für all die Erbschaften, mit denen ich belastet werde", sagt Nelia Fehn, die Protagonistin in "Nachkommen". Sie ist 20, Tochter der berühmten, früh verstorbenen Autorin Dora Fehn und selbst am Beginn einer viel versprechenden Schriftstellerinnen-Karriere. Mit ihrem Debütroman hat Nelia den Sprung auf die Shortlist geschafft, die Shortlist zum Deutschen Buchpreis, zur begehrtesten und renommiertesten Auszeichnung im deutschsprachigen Literaturbetrieb.

Marlene Streeruwitz begleitet ihre Heldin drei Tage lang - auf dem Weg nach Frankfurt, zur Preisverleihung, zu einem ersten Treffen mit ihrem leiblichen Vater, einem Frankfurter Literaturprofessor, und sie beschreibt, wie das ist, wenn eine junge Frau auf dem Buchmarkt als Fräuleinwunder gehandelt wird, wenn sich der Literaturbetrieb ihrer bemächtigt. Erniedrigende Preis-Rituale, knausrige Verleger, bornierte Literaturkritiker und eine krisengebeutelte Branche - mit ihrer Protagonistin kommt Marlene Streeruwitz zu dem Befund: Die Literatur ist am Ende.

Mit so viel Verve ist wohl nur selten über das Ende der Literatur geschrieben worden, Marlene Streeruwitz hat nicht einfach mit "dem Betrieb" - wie es heißt - abgerechnet, vielmehr überzeugt sie mit einer differenzierten Gesellschaftsanalyse und einer radikalen Kritik an den herrschenden Machtverhältnissen. "Die Literatur muss auf der Seite der Benachteiligten sein!" Dieser Satz steht in dem gefeierten Debütroman von Nelia Fehn. Marlene Streeruwitz stimmt ihrer Protagonistin zu und sie ist auch in ihre Identität geschlüpft. Als Nelia Fehn hat sie deren Debütroman geschrieben, im September wird er erscheinen.

Die Sprache und die Literatur von Marlene Streeruwitz haben jedenfalls auch jenseits der Literaturbetriebsamkeit Bestand. In "Nachkommen" zeigt Marlene Streeruwitz einmal mehr souverän, worin ihre Stärke liegt: im kühlen und genauen Sezieren der Gegenwart.