Von Klaus Buhlert, Regisseur des Hörspiels
Akustische Masken
Immer wieder stößt man in Elias Canettis Aufzeichnungen auf den Begriff "akustische Maske": "Der Träger einer 'akustischen Maske' ist im Sprechen so sehr Gestalt geworden, nach allen Seiten hin deutlich abgegrenzt, von allen Menschen verschieden..."
27. April 2017, 15:40
(c) ORF / MARGARETHE DREXEL
Klaus Buhlert
Unter der Maske sitzt die nächste Maske.
Phänomene wie sprachliche Abgrenzung, Stimmmasken und daraus resultierende vielstimmige Erzählformen interessieren mich seit Jahren. Deshalb erschien es mir für eine akustische Umsetzung von "Die Blendung" faszinierend und sinnvoll, Canettis Romantext mittels Verwendung von Sprachmasken rhythmisch-klanglich auszuhorchen. Die Besessenheit, mit der Elias Canetti seine Figuren hinter akustische Masken verbannt, sie in ein niederschmetterndes und zugleich groteskes Gedankenexperiment schickt, wirkte hoffnungslos ansteckend auf mich.
Wien und das Hörspielstudio des ORF waren der richtige Aufnahme-Ort, um Canettis Autodafé inklusive Selbstverbrennung des weltfremden Sinologen Peter Kien inmitten seiner Bibliothek sprachlich vorzuführen - eine Art literarische "Brandrodung" humanistischer Ideale mit tödlichem Ausgang in 12 Teilen.
Klaus Buhlert
Wer nicht gefressen werden will, muss selber zubeißen.
Das Lachen in Canettis "Die Blendung" folgt einem makabren Zungenschlag - es ist nicht heiter und entspannt, nein, es bleibt einem im Halse stecken. Es ist gewalttätiger Natur. Bei Canetti brennt es. Bücher brennen. Und mit ihnen, in einem mehr erlöschenden als erlösenden Lacher der Vorahnung, verbrennt Canettis Protagonist Peter Kien. Wer in diesem Roman lacht, verzichtet nicht auf Gewalt - ganz im Gegenteil! Das Lachen befreit nicht, es ist selbst zur Maske erstarrt. Es erzeugt keine Nähe, keine Verbindlichkeit mehr, es dient selbst als Maskerade für feige Unterwerfung oder dreiste Lüge...
Aber wir alle wollen hinter die Maske blicken. Es ist tröstlich zu erfahren, welcher Träger und warum er sich hinter ihr versteckt. Ganz in diesem Sinne funktionieren auch Canettis akustische Masken in "Die Blendung", über die er notiert:
Elias Canetti
Akustische Masken sind ebenso fremd und rätselhaft wie Tierstimmen. Man erkennt sie nur von außen, sozusagen nur von vorn (...) Ich bin genau, was du siehst, sagt die Maske und alles, was du fürchtest, dahinter.
