Vom Saulus zum Paulus

Vegan für alle

Nach der sexuellen und der Öko-Revolution folgt nun die vegetarisch-vegane Revolution. So jedenfalls könnte man meinen, wenn man auf die Fülle an Buchpublikationen zum Thema fleischlose bzw. tierproduktfreie Nahrung blickt. Jan Bredack, Gründer und Eigentümer der veganen Supermarktkette "Veganz" hat nun mit nur 42 Jahren seine Autobiografie geschrieben.

Keine Minderwertigkeitsgefühle

Die ersten Sätze von Jan Bredacks Autobiografie klingen nicht gerade bescheiden. Da ist einer ausgezogen, um die Welt zu retten, andere zu missionieren und gleich noch seine Heilsgeschichte zu verkünden. Minderwertigkeitsgefühle hat Jan Bredack nicht. Sein Lebensweg, ein modernes Märchen im Stile des "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Mythos, führte den Automechaniker aus der DDR in eine der oberen Managementetagen von Mercedes-Benz.

"Ich komme ja aus einem Leben wo ich's mit sehr viel gut situierten Leuten zu tun hatte und bin so in die vegane Szene eingetaucht als Exot", sagt Bredack. "Ich habe halt festgestellt, dass sich die vegane Szene insbesondere dadurch kennzeichnet, dass sie alles ausgrenzt, was nicht vegan ist, und weil ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man ausgegrenzt wird, habe ich einen Weg gesucht, diese Menschen anzusprechen."

Gewinner nach der Wende

Nach der Wende erlebte Jan Bredack die Stigmatisierung der sogenannten Ossis. Doch seine Kindheit im Arbeiter- und Bauernstaat hatte ihn gut auf das Leben im Kapitalismus vorbereitet. Als Automechaniker konnte er neben seiner angestellten Tätigkeit einiges dazuverdienen. "Feierabendbrigade" nannte man diese Kleinunternehmen. Jan Bredack war dort in seinem Element und gehörte nach der Wende zu den Gewinnern. Er bewarb sich bei Daimler-Benz, schaffte den Aufstieg und jettete um die Welt. Vor seinem Eigenheim stand immer das neueste Mercedes-Modell, er verdiente Millionen.

"Was mir sehr oft begegnet, ist eine sehr reaktionäre Anti-Haltung und die kommt meist tituliert über Tierschutz, aber meint oft auch Anti-Gesellschaft", so Bredack. "Wobei ich sage, das Thema Tierschutz ist ja sehr ehrenhaft und sehr rühmlich, aber die Art und Weise wie's einige dann propagiert haben, war ja eher abstoßend und hat dem Veganismus an sich geschadet."

Nur kein schlechtes Gewissen

Jan Bredacks Zugang zum Veganismus ist ein pragmatischer. Er macht niemandem ein schlechtes Gewissen. Daher finden sich in seinem Buch nur spärliche Passagen, die den Umgang mit Tieren in der globalen Fleisch-, Wurst- und Lederindustrie beschreiben. Denn Bredack ist durch und durch Geschäftsmann, heute allerdings in seinem eigenen Unternehmen.

Nach den Turbo-Jahren bei Mercedes, in denen er nebenbei noch Triathlet war und seine Familie kaum mehr sah, schlitterte Bredack ins Burn-Out. Für seine Stellung im Konzern blieb davon nur der zweite Teil: Das Out. Er verlor Job, Haus, Dienstwagen und Privilegien und musste neu anfangen. Wie so viele Menschen heutzutage begann er mit einer Ernährungsumstellung. Es wäre nicht Jan Bredack, hätte er dabei nicht sogenannte "Superfoods" entdeckt.

Mehr Lifestyle als Gesundheit

Wer so teure Import-Produkte verkauft, kann sich eine Ausgrenzung potentieller Kunden nicht leisten und hat als Zielgruppe die Besserverdiener. Sein Veganismus habe jedenfalls nichts mit Verzicht zu tun, sagt Jan Bredack.

"Die Menschen sind konditioniert auf ein bestimmtes Ess- und Lebensverhalten und Ersatzprodukte sind sehr hilfreich als Brückenfunktion, um Menschen diesen Weg zu erleichtern, ihnen nicht das Gefühl zu geben, auf irgendwas zu verzichten", sagt Bredack.

In den Kapiteln des Buches springt Jan Bredack zwischen seinen Erinnerungen und Gedanken über Umwelt, Ernährung und Tierleid hin und her, was den Inhalt etwas unübersichtlich macht. Tabellen zum Thema globale Ernährung fehlen leider vollständig und bei der Lektüre wird klar: Veganismus à la Jan Bredack hat mehr mit Lifestyle als mit Nachhaltigkeit oder biologischer Landwirtschaft zu tun. Und dann der Untertitel: "Warum wir richtig leben sollten". Was heißt schon "richtig"?

"Es ist eben nicht genau dieses 'Leb mal richtig!'", so Bredack. "Es ist ja doppelsinnig gemeint und ich hab im Rückblick meines Lebens, wo ich ja dachte, dass ich das Leben kenne, ich hab's durch meine vegane Lebensweise, die ich eben nicht nur als Ernährung verstehe, sondern wirklich als Lebensweise, erst kennengelernt, das Leben, die Interaktion mit anderen Menschen, die mir ja vorher total abgegangen ist, und so muss man diesen Buchtitel auch verstehen."

Service

Jan Bredack, "Vegan für alle. Warum wir richtig leben sollten", Piper Verlag