Nadine Gordimer verstorben

Nadine Gordimer war zugleich berühmte Schriftstellerin und politische Aktivistin. Mutig trat sie gegen die Apartheid in Südafrika ein. Auch in hohem Alter kritisierte sie Missstände in ihrer Heimat.

Kulturjournal, 14.07.2014

Nadine Gordimer

(c) EPA; ERNESTO

Die Politik hat in ihrem Leben eine große Rolle gespielt, aber als politische Schriftstellerin wollte Nadine Gordimer nie gelten. Die erste und bisher einzige Frau Afrikas, die je mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, sah sich eher als sozialkritische Beobachterin mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Am Sonntag starb die Grande Dame der südafrikanischen Literatur im Alter von 90 Jahren in Johannesburg.

Die Zeit der Apartheid in Südafrika, die ihren Romanen den Stempel aufdrückte, prägte auch sie: "Ich hätte nie einen Liebhaber haben können, der meine Ansichten über Rassismus nicht geteilt hätte. Es klappt nie: Am Ende beeinträchtigt Politik immer gefühlsmäßige Verbundenheit", erklärte die zierlich wirkende, aber sehr couragiert auftretende Autorin einst Journalisten.

Literaturnobelpreis 1991

Ihre Bücher wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Für "Der Besitzer" erhielt sie bereits 1974 den begehrten britischen Booker-Preis. Die Stadt Dortmund verlieh ihr 1985 den Nelly-Sachs-Preis, 1991 kam der Literaturnobelpreis dazu, die wichtigste Schriftstellerauszeichnung der Welt.

Nach ihren eigenen Angaben war es nicht der größte Augenblick in ihrem Leben, sondern vielmehr die Veröffentlichung ihres ersten größeren Werks im Alter von 15 Jahren - kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Europa. "Es war für mich so etwas wie die Besteigung des Mount Everest. Im Vergleich dazu war der Nobelpreis gar nichts", sagte die Anti-Apartheid-Aktivistin später.

Mit neun Jahren zu schreiben begonnen

Ihre schöpferischste Phase fiel in die Zeit, als sie sich mit der lange vorherrschenden Trennung der einzelnen ethnischen Bevölkerungsgruppen in Südafrika auseinandersetzte. In einer manchmal distanziert wirkenden Sprache beschrieb sie schwarze und weiße Opfer der Apartheid-Politik und forderte die Machthaber im Land immer wieder heraus, so etwa mit "Burgers Tochter" (1979). Offen trat sie für den Afrikanischen National-Kongress (ANC) ein. Fast alle ihre Bücher landeten auf dem Index, was sie aber nur noch mehr motivierte.

Seit ihrer Kindheit hatte sie Geschichten zu Papier gebracht. Mit neun Jahren, als sie von einer Ballerina-Karriere träumte, sandte sie ihrer Heimatzeitung erste Texte. "Als ich 13 war, habe ich vom gesparten Geburtstagsgeld meine erste Schreibmaschine gekauft", erinnerte sie sich.

Den ersten Roman "Entzauberung" veröffentlichte sie 1953, ein Jahr nach der Scheidung von ihrem ersten Mann. "Ich lebte damals mit meiner kleinen Tochter - geschieden, ohne jegliches Geld, unglaublich zuversichtlich, dass ich es schaffen würde", erinnerte sie sich später an diese Zeit.

Nach der Apartheid

Nach dem Ende des Apartheid-Regimes am Kap mahnte die zur UN-Sonderbotschafterin ernannte Schriftstellerin: "Der Kampf ist noch nicht vorbei. Der Wiederaufbau ist vielmehr ein Teil davon." Ihr 1998 erschienenes Buch "Die Hauswaffe" handelte bereits von der Nach-Apartheid-Zeit. Es schildert einen jungen weißen Mann, der einen unbegreiflichen Mord begeht, und die Reaktion der gut situierten Eltern darauf. Sie können sich nur schwer damit abfinden, dass der Anwalt des Täters schwarz ist.

Dass heute schwarze und weiße Kinder gemeinsam zur Schule gehen, sei ihre größte Freude. "Die Tatsache, dass ich gelebt habe, um das Ende der Apartheid und den Beginn, den Aufbau eines neuen Südafrika zu sehen und daran beteiligt zu sein ist für mich dauerhafte Freude", sagte Gordimer.

Keine Angst

Den Tod ihres zweiten Mannes, des aus Nazi-Deutschland geflohenen Kunstsammlers und Mäzens Reinhold Cassirer, im Oktober 2001, hat sie nur schwer verwunden: "Er war der Erste, der meine Romane las, sobald sie fertig waren." Besonders traf es sie daher, als Räuber ihr Ende 2006 in ihrem Haus unter anderem auch den Ehering abnahmen. Ansonsten nahm sie den Einbruch, bei dem sie auch eingesperrt wurde, eher nüchtern hin. "Da habe ich nun die Erfahrungen gemacht, die so viele andere machen mussten", sagte sie der englischen Zeitung "Telegraph". Angst habe sie ohnehin nie in ihrem Leben zugelassen.

Bis zuletzt blieb Gordimer voller Schaffenskraft und träumte als stolze Patriotin vom inneren Frieden der "Regenbogennation" Südafrika. Dabei übte sie im Alter auch scharfe Kritik am ANC und beschuldigte die heute politisch fast allmächtige Partei des Verrats an den freiheitlichen und demokratischen Idealen des Anti-Apartheid-Kampfes und Nelson Mandelas. "Wir waren naiv, wir hatten uns auf die Beseitigung des Apartheid-Regimes konzentriert und nicht tief genug darüber nachgedacht, was folgen würde", sagte Gordimer noch vor etwa zwei Jahren in einem Interview.

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