Die Kunst des Sitzens

In der sogenannten zivilisierten Welt ist das Sitzen die vorherrschende Körperhaltung. Wir sitzen zu viel, zu lange und falsch. Dem Requisit des Sitzens, dem Sessel also, widmet sich jetzt eine Ausstellung im Traklhaus in Salzburg. Denn ja, der Sessel ist auch ein Thema in der Kunst.

Hans Peter Feldmann, „Erinnerung an meine Zeit als Kellner", Holzstuhl, Sockel (Bildausschnitt)

Hans Peter Feldmann, "Erinnerung an meine Zeit als Kellner", Holzstuhl, Sockel (Bildausschnitt)

(c) GALERIE IM TRAKLHAUS

Mittagsjournal, 16.7.2014

Er presst den Körper in eine bestimmte Haltung, ist Instrument der Dressur und Handlungsanweisung. Wer erinnert sich nicht an Ermahnungen aus der Kindheit. Sitz still! Sitzt gerade! Der Sessel, oder der Hocker. Er kann zur Skulptur werden, oder zum hochpreisigen Designobjekt. In erster Linie ist er freilich ein Alltagsgegenstand. Die Galerie im Traklhaus widmet sich in ihrer aktuellen Ausstellung einem scheinbar profanen Thema. Umso erstaunlicher: 110 Künstler und Künstlerinnen sind in der Ausstellung vertreten. Darunter klingende Namen: der chinesische Kunststar Ai Wei Wei zum Beispiel, Franz West und Erwin Wurm.

Sitz still! Sitz gerade!

"Es gibt Stuhle hier in der Ausstellung, die auch als Sitzobjekt gedacht sind, aber auf den meisten darf man nicht Platz nehmen", so Kuratorin Dietgard Grimmer. "Der Stuhl als Objekt ist sehr präsent in der Kunst. Schließlich hat jeder Künstler in seinem Atelier auch einen Stuhl. Es ist ein Objekt des Alltags, das eine Geschichte erzählt", so Grimmer.

Der selbsternannte Totalkünstler Timm Ulrichs, der die Kunstwelt seit den frühen 1960er Jahren mit Witz und einer Prise ernst gemeintem Nonsens auffrischt, hat sich lange mit der Kulturgeschichte des Sitzens befasst. In der Ausstellung im Traklhaus ist eine Skulptur von Timm Ulrichs zu sehen, die den vielversprechenden Titel "Der erste sitzende Stuhl" rägt. Ein Sessel mit eingeknickten Beinen, der nicht gerade zum Sitzen einlädt. "Die Form eines Stuhles passt sich an die Form des Körpers an, deshalb haftet Stühlen auch immer die Qualität einer Skulptur an", so Timm Ulrichs.

Vom Thron zum Sessel

Der erste Stuhl, oder Sessel, war wohl ein Thron. Denn ja, sich vom Boden zu erheben, war ursprünglich ein Privileg der Herrscher. Das gemeine Fußvolk musste auf der Erde Platz nehmen. Der Sessel hat demnach auch eine Geschichte der Demokratisierung hinter sich. Eine große Herausforderung ist heute etwa die Gestaltung von Sitzmöbeln im öffentlichen Raum. Auch zu diesem Thema zeigt die Ausstellung im Traklhaus eine Arbeit. Das Künstler und Design-Duo Kocherscheidt & Zallmann, bekannt unter dem Namen Graulicht, hat für den neuen WU-Campus in Wien eine weitläufige Sitzlandschaft geschaffen, gefertigt aus Beton und Kunststofffaser.

"Wir wollten ein Sitzobjekt schaffen, auf dem man anders als auf einer Parkbank nicht nur sitzen kann. Die Menschen sollen bei unserem Objekt die Möglichkeit haben, eine Sitz- oder Liegeposition zu finden, die ihnen entspricht", so August Kocherscheidt.

Das Sitzmöbel im öffentlichen Raum zwischen Designobjekt und Skulptur. Im Hof des Salzburger Traklhauses zeigt Graulicht eine verkleinerte Version ihrer Sitzskulptur, die formschön - wie ein fliegender Teppich - in der Luft zu schweben scheint. Übrigens die einzige Arbeit der Ausstellung, auf der der Besucher, die Besucherin tatsächlich Platz nehmen darf.

Die Ausstellung "Hier steht ein Sessel. Sessel, Hocker, Stuhl in der Kunst" ist bis 13. September im Traklhaus in Salzburg zu sehen.