Erdogan: Propagandaschlacht im Wahlkampf

Der türkische Regieungschef Erdogan steht kurz davor, noch mächtiger zu werden. In einer Woche dürfte er zum Präsidenten des Landes gewählt werden. Ein Amt, das Erdogan künftig auf sich zuschneidern will: Parlament und Justiz will er deutlich einschränken. Um das alles zu erreichen, führt Erdogan eine beispiellose Propagandaschlacht, die seinen Gegnern wenig Chancen lässt.

Mittagsjournal, 2.8.2014

Personenkult: beispiellose Propagandaschlacht

Der neue Präsident der Türkei kann nur Recep Tayyip Erdogan heißen, sagen die Meinungsforscher. Aber man braucht nur auf die Straße zu gehen, um sich selbst davon zu überzeugen: Neben Erdogan bleibt in der türkischen Politik für niemanden anderen Platz. An seinen überlebensgroßen Plakaten kommt keiner vorbei. Seine Brandreden füllen sämtliche Nachrichtensendungen. Erdogan, der Mann des Volkes. Der Wille des Volkes, manchmal auch‚ der eiserne Wille des Volkes. Personenkult ist hier Programm.

Dass es neben ihm überhaupt noch zwei andere Kandidaten gibt, erfahren die Türken eigentlich nur aus Erdogans Schimpftiraden. Denn seine Gegner werden von ihm regelmäßig verhöhnt und gedemütigt, eingeschüchtert und filetiert. So erst gestern, als er den Kandidaten der großen Oppositionsparteien verspottete, weil der angeblich den Text der sehr langen türkischen Hymne nicht kennen soll. Was soll das für ein Universitätsprofessor sein, legt Erdogan vor einer johlenden Menge nach.

Oppositionskandidat: Ekmeleddin Ihsanoglu

Der Mann, der hier angeschüttet wird, Ekmeleddin Ihsanoglu, war vor kurzem ein allseits geachteter Mann. Bis die beiden großen Oppositionsparteien auf die Idee kamen, ihn gegen Erdogan ins Rennen um das Präsidentenamt zu schicken. Dabei kommt der Diplomat und Wissenschaftler Ihsanoglu eigentlich aus dem konservativen Lager. An die Marschmusik der Kemalisten muss er sich erst gewöhnen. Erdogan hatte ihn einst als Präsidenten der Internationalen Islamischen Konferenz unterstützt und geschätzt. Bis Ihsanoglu die türkische Außenpolitik kritisierte. Ihnsanoglu präsentiert sich als Mann des Ausgleichs, der versöhnen und nicht polarisieren will. Religiöse und nicht-religiöse Türken sollen sich gleichermaßen integriert fühlen. Vielen eingefleischten Kemalisten ist er zu fromm. Vielen Konservativen zu liberal. Alles in allem werden ihm zwischen 30 und 40 Prozent der Stimmen zugetraut.

Gegen den Wutprediger Erdogan wirkt der besonnene Ihsanoglu immer in der Defensive. Auch gestern, als er richtig stellte, dass er sehr wohl den Text der türkischen Hymne kenne, ja sogar damit aufgewachsen sei. Schließlich sei sein Vater mit dessen Dichter befreundet gewesen.

Selahettin Demirtas: Kandidat der Kurden

Die Überraschung dieses Wahlkampfes ist der dritte Kandidat, der erst 41jährige Kurde Selahettin Demirtas. Als Kandidat der neu gegründeten Demokratischen Volkspartei spricht er einerseits viele seiner kurdischen Landsleute an, andererseits aber auch alle, die sich mehr Bürgerrechte wünschen, besonders auch junge und gebildete Frauen. Den religiösen und sprachlichen Minderheiten des Landes verspricht er, sich für eine offene Türkei einzusetzen. Wenn er von den Armen spricht, die bisher nie auf ihr Recht gekommen seien, klingt er wie ein Sozialdemokrat.

Und doch sind seine Ressourcen beschränkt. Meinungsforscher sehen ihn bei etwa 10 Prozent. Doch die spannende Frage bleibt, ob es Demirtas gelingt, Erdogan einen zweiten Wahlgang aufzuzwingen. Etwas, das der bisherige Regierungschef vermeiden will. Denn dann könnten gerade die Stimmen der etwa 15 Millionen Kurden im Land für die Stichwahl entscheidend sein. Und das könnte Erdogan zu Kompromissen zwingen, die er lieber vermeiden will.

Als erstmals vom Volk gewählter Präsident will Recep Tayyip Erdogan jedenfalls das bisher repräsentative Amt ausbauen. Als Vorbilder hat er Russland, China und die USA genannt. Welchen von den Dreien die neue Türkei des Recep Erdogan eher gleichen wird, bleibt der Fantasie der Wähler überlassen.