Ken Robinson über die Kraft des Unentdeckten

Begeistert leben

Wie weiß man, dass man seine Bestimmung gefunden hat? Dass man sozusagen in seinem Element ist? Darüber hat Ken Robinson ein Buch geschrieben. Der in Los Angeles lebende Brite wurde durch das US-Wirtschaftsmagazin "Fast Company" unter anderem in die Liste der weltbesten Businessvordenker aufgenommen.

So wie Ken Robinson es erklärt, klingt die Sache ganz einfach: "Wenn man in seinem Element ist, fühlt sich das ganz natürlich an. So als wäre man endlich man selbst. Das wahre Ich kommt heraus. Es ist so, als hätte man eine Berufung. Man fühlt sich authentisch."

Vom "intuitiven Verständnis"

Wenn man etwas macht, das tiefe Befriedung verschafft, verändere das alles, so der Autor. Auf einmal hat man unbegrenzte Energie; auch der Zeitbegriff verändert sich. Man schaut nicht mehr auf die Uhr:

"Wenn man in seinem Element ist, fallen Fähigkeit und Leidenschaft zusammen. Mit Fähigkeit meine ich: Dinge, die wir recht gut machen, die uns leicht fallen. Das heißt nicht, dass man sofort brillant dabei ist. Ich habe mit Menschen gesprochen, die - sagen wir - Mathematik für sich entdeckt haben. Sie haben einfach intuitiv verstanden, worum es geht. Andere empfinden Ähnliches, wenn sie ein Instrument in die Hand nehmen. Oder wenn sie tanzen oder Sport betreiben. Man kann sein Element wirklich überall finden."

Wenn man hingegen nicht das tut, wozu man sich geboren oder befähigt fühlt, spürt man deutlich: Jeder Handgriff fällt schwer, man will nicht einmal den Computer einschalten oder den Telefonhörer abheben. Und man fragt sich: Wie entkomme ich der Tretmühle? Was liegt mir eigentlich? Kann ich irgendetwas gut?

Ein pragmatischer Wegweiser

Ken Robinson beschreibt in seinem Buch "Begeistert leben", wie man verborgene Talente aufspürt. Nun mangelt es in den Regalen der Buchhandlungen gewiss nicht an Ratgebern und Hilfe zur Selbsthilfe-Literatur. Ken Robinsons Werk unterscheidet sich von den meisten anderen Büchern durch pragmatische Anleitungen, wie man in sich hineinhorcht und Begabungen, von denen man gar nicht wusste, dass man sie hat, entdeckt. Dass viele Menschen Jahre im Dunkeln tappen, sei gar nicht ungewöhnlich, meint der nun in Los Angeles lebende britische Autor, ihm sei es ganz genauso ergangen.

Die ersten Schritte

Ken Robinson ist ein gefragter Bildungsexperte. Seine Vorträge bei den TED-Konferenzen über Technologie, Entertainment und Design sind sowohl wegen seiner Einsichten als auch wegen seines Humors beliebt und werden von Millionen Menschen auf YouTube angeklickt.

Als eine Einstiegsmethode, sich seinen verborgenen Begabungen anzunähern, empfiehlt der Autor die Mindmapping-Technik. Man nimmt ein Blatt Papier, schreibt in die Mitte das Thema, über das man nachdenken will. Und dann gruppiert man Gedanken und Ideen rundherum. Am Ende hat man eine sternenähnliche Grafik vor sich. Und noch etwas empfiehlt Ken Robinson: "Ich rate Menschen, dass sie ein bisschen Zeit in eine Bestandsaufnahme investieren. Sie sollen notieren, was sie im Laufe einer Woche machen. Ich zum Beispiel schreibe viel; aber ich reise auch; dann muss ich administrative Dinge erledigen wie Rechnungen bezahlen. Ich habe Termine, ich treffe Freunde. Ein Fitness-Trainer kommt zu mir ins Haus. Man listet also zunächst alles auf. Und dann gruppiert man die Aktivitäten: Was fällt einem leicht, was ist schwierig und was mühsam?"

Im ersten Schritt geht es also darum, sich bewusst zu machen, womit man seine Zeit verbringt und was man davon gerne oder weniger gern, gut oder weniger gut macht. Ein nächster Schritt besteht darin sich zu überlegen, was man noch nie gemacht hat, aber vielleicht gerne versuchen würde.

Eines möchte der Autor besonders betont wissen: Sein Element zu finden, bedeutet nicht unbedingt, den Beruf zu wechseln. "Ich habe von Menschen oft gehört: 'Ja, aber, mit dem, was mir liegt, kann ich kein Geld verdienen.' Das ist durchaus möglich. Es gibt Menschen, die können mit dem, wofür sie sich am besten geeignet fühlen, nicht ihren Lebensunterhalt verdienen. Und wieder andere wollen das gar nicht. Sie wollen sich lieber an etwas freuen, als sich zu quälen, damit ihr Auskommen zu finden. Es geht also nicht ums Geldverdienen, sondern darum, aus seinem Leben etwas zu machen. Viele betrachten ihren Job als Mittel zum Zweck, Essen auf den Tisch zu bekommen, aber sie möchten auch etwas für sich finden, das ihrem Leben eine Richtung oder Sinn gibt."

Glück oder Einstellung?

Ein Kapitel widmet der Autor der inneren Einstellung. Wie steht man eigentlich zum Leben? Scheut man vor Hürden zurück? Ist das Glas halb leer oder halb voll? Wie steht man grundsätzlich Wandel gegenüber? Das sei wichtig, so Ken Robinson. Denn ein bisschen Mut gehört schon dazu, wenn man seine Begabung finden und dann auch ausüben will:

"Viele Menschen, die genau das tun, was ihnen liegt, haben mir gesagt: 'Ach, ich habe einfach Glück gehabt.' Das hört man auch immer wieder in Prominenteninterviews. Dass sie bloß Glück gehabt haben. Das mag ja auch zum Teil stimmen. Denn Zufälle gibt es immer im Leben. Doch es kommt noch etwas dazu. Wir wissen aus der Sozialforschung, dass Menschen, die glauben, Glück zu haben, auch andere Eigenschaften aufweisen: Sie sind bereit, mehr zu riskieren, sich etwas zu trauen. Wie wir mit Herausforderungen umgehen, hat auch mit unseren Einstellungen zu tun und ob wir die Angst vor Misserfolg, die Angst vor Demütigung überwinden können."

Service

Ken Robinson, "Begeistert leben. Ken Robinson über die Kraft des Unentdeckten", übersetzt von Friederike Moldenhauer, Ecowin Verlag