Familienpolitik: Applaus für Kurswechel
Geld für die Familien - das bedeutet seit Jahrzehnten in Österreich in erster Linie Familienbeihilfe zu bekommen. Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) rüttelt nun an diesem Grundprinzip, das die ÖVP hoch hält. Wenn der Staat zusätzliches Geld für die Familien freigibt, soll das zumindest zur Hälfte in Betreuungsplätze gehen. Es ist ein vorsichtiger Kurswechsel. Applaus bekommt Karmasin dafür von SPÖ, Grünen und NEOS.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 12.8.2014
Sachleistungen machen Mut zum Kind
Eine WIFO-Studie, die Sophie Karmasin in Auftrag gegeben hat, vergleicht die staatliche Familienförderung Österreichs mit jenen anderer europäischer Ländern und kommt zu dem Schluss: Wir haben eine Schieflage. Von den neun Milliarden Euro, die für Familienförderung ausgegeben werden, stellen 80 Prozent Geldleistung dar. Es ist aber ein Faktum, dass Sachleistungen zielführender sind, denn gesicherte Kinderbetreuung und Vereinbarkeit mit dem Job machen Mut zum Kind, sagte Karmasin im Interview im Ö1-Morgenjournal. Die ÖVP-Ministerin will das jetzt in den Mittelpunkt stellen, die zusätzlichen 300 Millionen Euro des Bundes für den Ausbau der Betreuungseinrichtungen seien nur der erste Schritt.
SPÖ, Grüne und NEOS orten Vorstoß
SPÖ-Familiensprecherin Angela Lueger reagiert über den Richtungswechsel der Familienministerin erfreut. Durch Ministerin Karmasin sei endlich eine Änderung der Sichtweisen innerhalb der ÖVP zutage getreten. Denn bisher ist es nicht selbstverständlich gewesen, dass sogar die Ministerin selbst einsieht, dass mehr Mittel in Sachleistungen fließen müssen, sagt Angela Lueger.
Auch die Grünen, die einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr fordern, sehen den Vorstoß der Ministerin positiv. Grün-Abgeordnete Judith Schwentner wäre, anders als Karmasin, auch dafür, bestehende Geldleistungen umzuschichten. Man müsse offen bleiben für diese Diskussion, denn Investitionen in Sachleistungen würden eine gerechtere Familienpolitik ermöglichen, so die Familiensprecherin der Grünen.
Ein guter Schritt der ÖVP-Ministerin, findet auch Beate Meinl-Reisinger von den NEOS. Sie erinnert aber daran, dass der Bund beileibe nicht allein Familienpolitik mache. Auch die Länder, insbesondere die Bürgermeister, müssten überzeugt werden. Die Anstoßfinanzierung zum Ausbau der Kinderbetreuung habe gezeigt, dass es in Österreich nach wie vor sehr schwierig ist, mit einer Berufstätigkeit vereinbare Betreuungsplätze zu schaffen, befindet Meinl-Reisinger.
FPÖ und Team Stronach sind skeptisch
FPÖ und Team Stronach hingegen fürchten um die Wahlfreiheit der Eltern, wenn der Schwerpunkt auf Sachleistungen gelegt wird. Stronach-Abgeordneter Marcus Franz meint, dass der Staat Sach- und Geldleistungen nicht gegeneinander ausspielen könne. FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller sieht die Ministerin, die neben der Erhöhung der Sachleistungen auch an den Geldleistungen festhalten will, im Dilemma. Es scheint, als ob Familienministerin Karmasin selbst nicht wisse, wohin sie mit ihren Aussagen hin wolle, meint Kitzmüller.
Kritisch äußert sich auch der Katholische Familienverband, der die Geldleistungen für Familien als Lastenausgleich und nicht als Förderung sieht und zum Ausbau der Kinderbetreuungsplätze sagt: Kranke würden ja auch nicht für den Bau von Krankenhäusern zahlen.