Schwierige Rechtslage bei Obsorge von Ausländern

In letzter Zeit hat die Zahl spektakulärer Kindesentführungen ins Ausland, meist nach Sommerurlauben, nach denen Kinder von einem Elternteil nicht mehr zurückgebracht werden, zugenommen. Dabei wird von den Eltern oft übersehen, dass ein Kindesentzug die Chancen, sich im Obsorgestreit vor Gericht durchzusetzen, erheblich verschlechtert.

Mittagsjournal, 16. August 2014

Rechtslagen innerhalb der EU unterschiedlich

Es werden deutlich mehr Kinder entführt als noch vor zehn Jahren, sowohl ins Ausland als auch nach Österreich, berichtet Familienrichter-Sprecherin Doris-Täubel Weinreich. Die Fälle seien stark im Steigen, so Weinreich, die für Entführungen aus dem Ausland nach Wien zuständig ist. Dies liege vor allem daran, dass es viele binationale Beziehungen gibt. Zudem seien die Rechtsbestimmungen, selbst zwischen den europäischen Staaten, recht unterschiedlich, sodass in einigen Ländern die Mitnahme der Kinder in den Heimatstaat als Kindesentführung gewertet wird.

Täubel-Weinreich spricht von 15 Kindesrückführungs-Fällen in Wien pro Jahr, noch vor acht Jahren habe es drei Fälle jährlich gegeben. Hintergrund sei oft die Unkenntnis darüber, dass die Rechtslage jenes Landes gilt, in dem das Kind zuletzt gelebt hat. "Früher konnte man in Österreich mit der alleinigen Obsorge den Wohnsitz des Kindes frei wählen. Das ist aber in anderen Staaten, wie zum Beispiel in Frankreich, wo ein Vater die Vaterschaft anerkannt hat, nicht so", erklärt Täubel-Weinreich. Denn dort gebe es in so einem Fall ein Mitbestimmungsrecht des Vaters, wodurch viele Mütter nicht wissen, dass sie sich mit der Mitnahme ihres Kindes strafbar machen. Für Entführungen ins Ausland sind laut Täubel-Weinreich Väter und Mütter gleichermaßen verantwortlich. Das Justizministerium spricht von österreichweit insgesamt 40 Fällen pro Jahr und damit einem leichten Anstieg.

Anzahl der Kindesentführungen durch Eltern gestiegen

Der letzte spektakuläre Fall war der eines Vierjährigen. Er ist Anfang August in Wien mit einem Kindermädchen unterwegs gewesen, als er auf offener Straße in einen Lieferwagen gezogen und mit der Mutter nach Ungarn gebracht wurde. Zivilrechtlich gesehen entspricht das einer Kindesentführung, die Polizei hat aber nur kurz ermittelt. Die Eltern haben nämlich die gemeinsame Obsorge, wodurch die Mutter nach österreichischer Gesetzeslage nicht strafbar ist.

Aber im Obsorgeverfahren gilt laut Täubel-Weinreich grundsätzlich: Wer eine Kindesentführung begeht, hat einen schwarzen Punkt. Der Elternteil, der sich rechtmäßig verhalten hat, könne dadurch in jenem Staat die alleinige Obsorge bekommen, wo der letzte gewöhnliche Aufenthalt gewesen ist.

Die Polizei hat im Vorjahr übrigens 91 Kindesentführungen - jene innerhalb Österreichs mit eingerechnet - angezeigt.