AKW kaputt: Belgien zittert vor dem Winter

Wegen einer Pannenserie in Belgiens Atomkraftwerken fürchtet das Land Stromengpässe im kommenden Winter. Die Energiestaatssekretärin muss heute dem Parlament erklären, wie sie sicherstellen will, dass die Belgier im Falle eines strengen Winters nicht im Dunkeln sitzen. Drei von sieben Atomreaktoren sind derzeit abgeschaltet. Bei einem ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft wegen Sabotage.

Mittagsjournal, 22.8.2014

Drei Reaktoren gestört

Die Betreiber der belgischen Atomkraftwerke scheinen ihren Angestellten nicht mehr zu trauen. Seit zwei Wochen müssen die in der Nähe der technischen Einrichtungen der Reaktoren mindestens zu zweit sein. Das Vier-Augen-Prinzip soll die Sicherheit erhöhen.

Denn seit Anfang August ist eine Reaktor im Kernkraftwerk Doel bei Antwerpen ausgefallen. Aus einer Dampfturbine sind mehrere Tausend Liter Öl ausgelaufen und in ein Auffangbecken gefallen. Die Betreiber sind sich sicher, dass jemand ein Ventil geöffnet hat. Ob mutwillig oder - weniger wahrscheinlich - fahrlässig, untersucht die Staatsanwaltschaft.

Der Reaktor hat sich automatisch abgeschaltet und wird vor Jahresende nicht mehr ans Netz gehen. Teil einer Serie von Störfällen. An zwei weiteren Reaktoren wurden Haarrisse am Reaktorbehälter entdeckt. Seither werden sie abgeschaltet, dann wieder hochgefahren und wieder still gelegt. Zuletzt im März - möglicherweise für immer, will Celine Faidherbe von der belgischen Atomaufsichtsbehörde nicht mehr ausschließen: "Wenn sich die Risse ausdehnen, könnte Wasser austreten. Und dann haben wir wirkliche ein Problem."

"Risiko eines Engpasses besteht"

Die beiden belgischen Atomkraftwerke mit ihren insgesamt sieben Reaktoren sollen eigentlich rund die Hälfte des Strombedarfs des Landes liefern. Derzeit ist es gerade ein Viertel. Blackouts im Winter sind möglich. Die wahrscheinlich am ehesten betroffenen ländlichen Gemeinden wurden schon mit Anweisungen für Notfälle versorgt, zum Beispiel zur Vorwarnung der Bürger und zur Verhinderung von Panik. Energistaatssekretärin Christine Fonck: "Das Risiko eines Engpasses besteht. Da muss man den Leuten die Wahrheit sagen. Aber wir sind dabei, das Risiko so weit wie möglich zu minimieren."

Die Staatssekretärin muss heute Nachmittag im Parlament erklären, wie das gehen soll. Von einer strategischen Reserve und von Stromsparen ist die Rede. Der einfache Weg des vermehrten Imports ist unsicher, weiß Christine Fonck: "Wenn es im Winter kalt wird, dann ist es auch in den potenziellen Importländern um uns herum kalt und auch die könnten Probleme haben. Wir können uns also nicht darauf verlassen, dass wir die Importe einfach verdoppeln oder verdreifachen können."

Mit dem Engpass dürfte auch der ab dem nächsten Jahr geplante Atomausstieg infrage stehen. Die
Koalitionsverhandler, die derzeit über die Bildung der nächsten Regierung beraten, denken angeblich bereits an eine Verschiebung. Das Problem: Die jetzt stillgelegten Reaktoren sind die neueren im Kraftwerkspark. Strom liefern die, die eigentlich im nächsten Frühjahr vom Netz gehen sollen. Ein längerfristiges Konzept ist gefragt. Kurzfristig dürfte ohnehin nur ein milder Winter helfen.