Christo in Alpbach

Der Verhüllungskünstler Christo war Im August 2014 zu Gast beim Europäischen Forum Alpbach. Dort sprach er unter anderem über seine noch nicht realisierten Vorhaben.

Christo

(c) PHIILPP NADERER

Morgenjournal, 29.8.2014

1995 packten sie den deutschen Reichstag in eine silbrig-graue Plastikhülle und schufen damit ein einprägsames Bild, das bis heute mit den Pionierjahren des wiedervereinigten Deutschlands verknüpft ist. Spätestens seither sind Christo und Jeanne Claude auch hierzulande als "Verhüllungskünstler" bekannt. Bis zum Tod Jeanne Claudes 2009 arbeitete das Ehepaar gemeinsam an der Realisierung künstlerischer Mammutprojekte, die nicht selten zweistellige Millionenbeträge verschlingen.

Fein säuberlich eingepackt in glitzerndes Textil als wäre er ein zu groß geratenes Praline stand er da, der Reichstag. Mitten im Mauerstreifen. Eine urbane Leerstelle, die viel über die deutsche Geschichte erzählt und im Juni 1995 zur Begegnungs-, ja zur Partyzone wurde. Bis heute ist der verhüllte Reichstag ein wirkungsmächtiges Bild, Symbol für die Aufbruchsstimmung der damals jungen Berliner Republik. Christo und Jeanne Claude, das rumänisch-französische Künstlerehepaar mit Wohnsitz in New York, brachten den Reichstag, diese wilhelminische Trutzburg, diesen Ort, an dem die Demokratie gescheitert war, ja sich selbst abgeschafft hatte, zum Verschwinden. Die Verhüllung, eine Negation des Monumentale, das normalerweise - wie ein Denkmal etwa - enthüllt wird.

Die Verhüllung als Negation des Monumentalen

"Natürlich war die Reichstagsverhüllung wichtig. Dieses Kunstwerk hat geschafft, was wohl kaum ein Kunstwerk geschafft hat. Der Widerstand gegen das Projekt war riesig. Helmut Kohl, damals deutscher Kanzler, war ein erbitterter Gegner. Im deutschen Bundestag gab es eine rege Debatte. Das Projekt kam zur Abstimmung im Bundestag und letzten Endes besiegten wir Helmut Kohl", so Christo.

Christo und Jeanne Claude machten ernst mit einer Forderung der studentenbewegten 1960er Jahre. Die Kunst, so hieß es damals, solle raus aus White Cube und hinein ins Leben. Christo und Jeanne Claude verhüllten Architekturen und Landschaften. Etwa eine Inselgruppe vor Florida, die mit einer grellpinken Plastikhülle umrahmt wurde. Dort, wo sonst der Zivilisationsmüll strandete, verwandelte sich die Landschaft in eine temporäre Skulptur. "In all diesen Projekten geht es um Schönheit. Bei unserem Inselprojekt in Florida bestand das Kunstwerk nicht aus 650.000 Quadratmetern Plastikhülle, die wir verwendeten, um die Inseln einzurahmen. Unsere Kunst ist das Ergebnis einer Synthese. Die Landschaft ist genauso Teil des Kunstwerks wie unsere Intervention. Das Kunstwerk entsteht also aus dem Zusammenspiel vieler Elemente", sagt Christo.

Nicht verwirklichte Mammutprojekte

Am 28. August sprach Christo als Gast des Europäischen Forum Alpbach vor allem über noch nicht realisierte Großprojekte. Denn ein Projekt von Christo und Jeanne Claude ist immer auch eine Materialschlacht - künstlerisch und organisatorisch. Dementsprechend zieht sich die Realisierung vieler Projekte über Jahre, ja Jahrzehnte. Das betrifft auch das Vorhaben "Over the River". Geplant ist eine Überspannung des Arkansas River im US-Bundesstaat Colorado. Die US-Regierung gab bereits grünes Licht für das Projekt, woraufhin Gegner des Projekts die Regierung Obama klagten. Der Ausgang ist offen.

Doch Christo ist Widerstände gewöhnt und fest davon überzeugt, dass auch "Over the River" umgesetzt werden wird. Vorerst sind in der Galerie Schmidt im Alpbachtal Skizzen, die das Projekt illustrieren, zu sehen und zwar bis 15. Oktober.

Service

Skizzen zum Projekt "Over the Rivers" sind aktuell in der Galerie Schmidt im Alpbachtal bis 15. Oktober zu sehen.

Galerie Schmidt