"Zu viel Energie auf interne Rempeleien"
Bundespräsident Heinz Fischer hofft durch die Umbildung der Bundesregierung auf einen Neubeginn und eine neue Kultur in der Großen Koalition: mit mehr Energie fürs Lösen der anstehenden Probleme und weniger für wörtlich "interne Rempeleien". Und Fischer ist angesichts der offensichtlichen Beteiligung von russischen Soldaten am Konflikt in der Ukraine, für ein Überdenken der Beziehungen Österreichs zu Russland.
8. April 2017, 21:58
(c) NEUBAUER, APA
Mittagsjournal, 30.08.2014
Bundespräsident Heinz Fischer im Gespräch mit Peter Daser
Schneller und harmischer arbeiten
Bundespräsident Heinz Fischer wird am Montag die neuen Mitgleider der Bundesregierung angeloben. Er hofft auf einen Neubeginn und mahnt nach der Umbildung zu einer neuen Kultur, zu einem neuen Stil im Umgang miteinander. Alle hätten beobachten können, dass "zu viel Energien auf interne Rempeleien oder auf interne Auseinandersetzungen verwendet wurden. Das kann verbessert werden, und ich hoffe, dass es auch tatsächlich verbessert wird. Der zweite Punkt war, dass es bei der Verwirklichung von wichtigen Punkten des Regierungsprogramms nicht zügig genug und nicht harmonisch genug und nicht genügend erklärt nach außen, was der Zweck von Maßnahmen ist, vor sich gegangen ist." Ein neu angelobter Minister wird das als vordringlich vom ersten Tag an betrachten müssen - sowie auch das gesamte Team: "Ich glaube, dass auch der neue Vizekanzler Mitterlehner das so sieht. Der Kollege Mitterlehner wird viel in dieses Ziel investieren", ist Fischer überzeugt.
Den Eindruck, dass SPÖ und ÖVP nicht mehr miteinander regieren können, teilt Fischer nicht. Dieser Befund hätte nur einen Sinn, wenn man sagt, eine Regierung von SPÖ und FPÖ oder ÖVP und FPÖ und einer dritten Partei würde es viel besser machen. "Das glaube ich, ist eine Illusion." Und eine Minderheitsregierung würde das Bedürfnis nach politischer Stabilität vernachlässigen, so Fischer.
Wahrheit ist zumutbar
Fischer weist die jüngste Kritik jüdischer Organisationen an seinen Aussagen zum Gaza-Krieg zurück. Fischer hatte von der Unverhältnismäßigkeit palästinensischer Opfer gesprochen. Ariel Muzicant, vom Europäischen Jüdischen Kongress, früherer Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, hat Fischer Doppelmoral vorgeworfen, weil er die Angriffe auf Israel zuwenig berücksichtige. Fischer betont, dass er gesagt habe, dass die Israelis natürlich das Recht haben, sich gegen die Raketenangriffe der Hamas zu verteidigen. Jeder Tote sei jedoch einer zuviel, auf jeder Seite. Die Zahl der palästinensischen Toten ist aber um das fast 20-fache höher, als die der getöteten Israelis: "Dem Herrn Ariel Muzicant kann ich nur sagen: Die Wahrheit ist zumutbar, auch in diesem Fall. Und die Wahrheit ist eine bedauerliche und bedrückende Imparität, Ungleichgewicht im Bezug auf die Opferzahlen. An diesen Zahlen kommt niemand vorbei."
Haltung zu Russland überdenken
Angesichts der offensichtlichen Beteiligung von russischen Soldaten am Konflikt in der Ukraine spricht Fischer von einer Grenze, im doppelten Sinn, die überschritten wurde. Die internationale Gemeinschaft müsse mit Vernunft und Verantwortungsbewusstsein und Festigkeit reagieren: "Denn einerseits bleibe ich meiner Grundüberzeugung, die mich prägt als Mensch und Politiker, dass Gewalt und Krieg dauerhaft keine Probleme lösen, treu. Andererseits muss man jemandem, der mit Streitkräften in dieser krisenhaften Region eine Staatsgrenze verletzt, noch deutlicher als bei der Annexion der Krim sagen, dass das mit dem modernen Verständnis der Zusammenarbeit von Völkern nicht in Übereinstimmung gebracht werden kann. Und diese Sprache wird Putin, und alle die auf ihn Einfluss haben, hoffentlich verstehen."
Fischer spricht sich für ein Überdenken der - bisher vor allem auf Konsens und Gespräch angelegten - Haltung Österreichs zu Russland aus: "Wir müssen darüber nachdenken, wie ein neutrales Land, das sich aber der Charta der Vereinten Nationen verpflichtet fühlt, und das sich dem Prinzip der Gewaltfreiheit verpflichtet fühlt, in einem solchen Fall am besten und ohne panikartig zu sein, reagieren kann."