Libanon: UNO befürchtet "verlorene Generation"
Der Krieg in Syrien und im Irak bringt nicht nur Tod und Zerstörung. Für Millionen von Kindern bedeutet er Trauma, Leid und oft den Verlust von Schulbildung. Im Libanon etwa ist mehr als die Hälfte der rund 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien unter 18 Jahre alt. Die Schulen sind damit überfordert. Die UNO fürchtet, dass hier eine "verlorene Generation" ohne Schulbildung heranwächst.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 2.9.2014
Aus dem Libanon berichtet
Spenden für syrische Flüchtlinge
Kinderarbeit statt Schule
Wenn Journalisten und Hilfslieferungen kommen, dann sind die Kinder die Neugierigsten, freuen sich über jede Abwechslung, wollen unbedingt fotografiert werden. So auch der neunjährige Flüchtlingsbub Ahmad, der in der libanesischen Bekaa-Ebene mit seiner Familie in einer Garage wohnt. Doch als wir fragen, was sein größtes Problem ist, sagt er: "In Syrien bin ich in die Schule gegangen, hier habe ich keinen Schulplatz." Und auch für Omar, der in einem der inoffiziellen Zeltlager im Südlibanon lebt, gibt es jetzt im Herbst keinen Schulbeginn. Er sagt: "Nein, ich spiele lieber." Tatsächlich aber sind private Schulen schlichtweg zu teuer, die anderen überfordert mit der großen Zahl an Flüchtlingskindern, auch wenn es teilweise Vormittags- und Nachmittagsunterricht-Schichten gibt. Dana Sleiman, Sprecherin des UNO-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR: "Von über 400.000 Kindern im Schulalter können nur 90.000 in die Schule gehen. Mehr als 300.000 gehen nicht zur Schule und lernen nicht lesen und schreiben."
Sex zum Überleben
Manche Kinder müssen auch arbeiten und die Familie erhalten, sagt Jürgen Högl, er war neun Monate für das Rote Kreuz im Libanon. Auch Fälle von Menschenhandel und von Kinderprostitution sind bekannt geworden. Miriam Azar, Sprecherin des UNO-Kinderhilfswerks Unicef im Libanon: "Diese Krise hat alle sozialen und ethischen Werte zerstört. Wir nennen diese Prostitution Survival Sex, weil das wirklich aus Verzweiflung und Angst ums Überleben passiert. Zahlen haben wir freilich nicht, weil kaum Frauen, Mädchen und Buben darüber sprechen."
Und natürlich haben die Kinder immer wieder Angst - nach dem Trauma ihrer Flucht - und angesichts von Schüssen die in Grenznähe öfters zu hören sind. Neife, 55-Jährige Großmutter und Mutter erklärt: "Ich beruhige die Kinder immer und sage ihnen, wenn es einen Angriff gibt, gehen wir zu den UNO-Soldaten und suchen Zuflucht bei der UNO." Gemeint sind die UNIFIL-Truppen, darunter 170 Österreicher im Libanon. Ob die Sicherheit trügt? Am Golan - ein paar dutzend Kilometer entfernt von Neifes Zelt - sind erst kürzlich Blauhelme als Geiseln genommen worden.
Sehnsucht nach Heimat
Dabei würden die Kinder so gerne zurück in ein friedliches Syrien: "In Syrien war es besser, da haben wir mit Oma und Opa gelebt", sagt Mara. Doch ungewiss ist sogar, wie viele Flüchtlinge die Hilfsorganisationen versorgen können. Unicef will heuer 50.000 in Schulen unterbringen, sie mit Schulmaterial versorgen und 155.000 Unterricht außerhalb der Schulen zu ermöglichen. Doch es gibt wenig an privaten und staatlichen Spenden, nur 30 bis 50 Prozent aller Pläne können finanziert werden. Das Rote Kreuz zieht Jürgen Högl sogar aus dem Libanon ab. "Wir versuchen zu optimieren und daher Mitarbeiter einzusparen." Mitarbeiter des libanesischen Roten Kreuzes sollen künftig alleine dafür sorgen, dass Hilfe aus Österreich ankommt.
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