Fazil Say im Clinch mit Türkei

Der türkische Pianist Fazil Say muss genau aufpassen, was er sagt - denn über dem berühmten Pianisten schwebt eine Strafdrohung: Sollte er die islamische Religion ein weiteres Mal beleidigen, muss er laut Gerichtsurteil für zehn Monate ins Gefängnis.

Dabei waren es bloß ein paar ironische Kommentare auf Twitter, die den gefeierten Musiker zum Feindbild konservativer Muslime gemacht haben. Jetzt wird es für ihn immer schwieriger, in der Türkei Auftrittsmöglichkeiten zu finden.

Morgenjournal, 09.09.2014

Christian Schüller berichtet aus der Türkei

Ein ungewöhnlicher Auftritt für den weltberühmten Pianisten Fazil Say auf einem Dorfplatz in Anatolien: in Karaözü, zwischen den Städten Sivas und Kayseri. Karaözü ist nicht irgendein Dorf. Es gilt als kleine Hochburg der Linken. In den Zwanzigerjahren haben die Bewohner hier mit eigenen Händen eine Schule gebaut. Die Meisten gehören zur Minderheit der Aleviten, und stehen zur regierenden AKP schon deshalb auf Distanz. Jetzt wurde Fazil Say in Karaözü als Widersacher der Regierung gefeiert.

Says Abrechnung mit Gezi-Zeit

Doch große Festivals, die Fazil Say bisher maßgeblich mitgestaltet hat, laden ihn aus, wie das Klavierfestival von Antalya, oder werden abgesagt, wie das seit langem geplante Festival mit dem Borusan-Orchester. Nicht in der Türkei, sondern in Deutschland präsentierte er also dieser Tage seine persönliche Abrechnung mit der Gezi-Zeit.

Fazil Says "Ballade für Gezi" soll Gewalt und Ohnmacht aus der Sicht einer Demonstrantin darstellen. Die Niederschlagung der Bürgerinnenbewegung vor etwas mehr als einem Jahr hat auch für die türkische Kulturszene schwerwiegende Folgen: Das Land scheint gespalten wie noch nie. Unter dem Druck der AKP-Regierung zerbrechen mittlerweile selbst alte Freundschaften, auch solche zwischen langjährigen künstlerischen Weggefährten.

Kettenreaktion ausgelöst

So auch die zwischen dem Pianisten Fazil Say und dem Dirigenten Gürer Aykal: Begonnen hat es damit, dass der neugewählte AKP-Bürgermeister von Antalya den unbequemen Say als Leiter eines jährlichen Klavierfestivals loswerden wollte. Das hat eine Art Kettenreaktion ausgelöst: Denn Fazil Say will nun seinerseits nicht mehr mit Musikern auftreten, die weiterhin für das Festival in Antalya arbeiten.

Das hat nun dazu geführt, dass ein anderes Festival in Istanbul abgesagt werden musste - nämlich jenes mit dem Borusan-Orchester. Dabei ist die Borusan-Stiftung einer der wichtigsten privaten Förderer von Musik und bildender Kunst, und hat in der Gezi-Zeit Haltung bewiesen. Doch Erdogans Politik des Misstrauens zeigt Wirkung - und beeinflusst sogar jene, die ihm kritisch gegenüber stehen.

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