Agnes Heller: "Die Welt der Vorurteile"

Die Philosophin Agnes Heller gilt als Gewissen Ungarns. Sie überlebte den Holocaust und war Opfer jahrzehntelanger Repressionen durch das kommunistische Regime. Die letzten Jahre trat sie immer wieder als scharfe Kritikerin der Orban-Regierung auf. Jetzt hat die 85-Jährige ein neues Buch herausgebracht. Am 12. September stellte sie "Die Welt der Vorurteile", so der Titel, in Wien vor.

Morgenjournal, 12.9.2014

45 Prozent wählen Orban

So hoch wie 2010 fiel der Erfolg Viktor Orbans bei den ungarischen Parlamentswahlen im heurigen April zwar nicht mehr aus, mit knapp 45 Prozent der Stimmen war er aber immer noch beachtlich. Verantwortlich dafür war ein gefinkelter Schachzug Orbans, mit dem er die Auslandsungarn für sich gewinnen konnte, so Agnes Heller. Dass er seinen Erfolg dieser Änderung des Wahlgesetzes verdankt, hat Orban bei einer Rede in Rumänien auch offen zugegeben.

Bedenklich sei darüber hinaus, dass auch die offen rechtsextreme Jobbik-Partei auf mehr als 20 Prozent der Stimmen kam. Anders als bei anderen europäischen Rechtsparteien sind weite Wählerkreise hoch gebildet. Jüngsten Umfragen zufolge ist Jobbik sogar die beliebteste Partei unter den ungarischen Studenten.

Aufrechterhalten einer Revolution

In ihrem Buch "Die Welt der Vorurteile" schreibt Agnes Heller, dass totalitäre Regime einen Zustand der dauerhaften Revolution aufrechterhalten müssten, um an der Macht zu bleiben. Orbans Fidesz sei zwar keine totalitäre Partei, so die Philosophin weiter, ihre Strategie sei aber eine ganz ähnliche. Dazu gehört die Schaffung von Feindbildern und Bedrohungsszenarien. Die erlaubten es nämlich, offen gegen regierungskritische Institutionen vorzugehen.

Agnes Heller erwähnt eine Polizeirazzia, deren Opfer eine den ungarischen Grünen nahestehende NGO war, die von der norwegischen Stiftung finanziell unterstützt wurde. Die Aktion sorgte nicht nur für scharfe Kritik von Seiten der Opposition, sondern hatte auch schwere diplomatische Verstimmungen zwischen Oslo und Budapest zur Folge. Nichts, was Orban sonderlich beeindruckt hätte, so Agnes Heller.

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