Wien - Moskau: "Tales of Two Cities"

"Tales of Two Cities", so nennt sich ein gemeinsames Kunstprojekt des Jüdischen Museums Wien und der russischen Menschenrechtsgesellschaft Memorial. Russische und österreichische Künstlerinnen und Künstler haben die Objekte und Archive der beiden Sammlungen als Anstoß für neue Kunstwerke genommen. Diese reflektieren Repression und Menschenrechtsverletzungen aus heutiger Sicht - mit durchaus aktuellem politischen Bezug.

Morgenjournal, 17.9.2014

Aus Moskau,

Videos, Installationen und Fotografien - die Ausstellung zeigt neu geschaffene Arbeiten zum Thema Geschichte und Repression. Jeweils drei österreichische und drei russische Künstler/innen wurden auf den Weg geschickt, um die Sammlungen im Jüdischen Museum Wien und der Menschenrechtsgesellschaft Memorial in Moskau zu besuchen und sich inspirieren zu lassen. "So wird Geschichte neu reflektiert", sagt Irina Scherbakowa von der russischen Menschenrechtsgesellschaft Memorial: "Wir aus der älteren Generation sind an die alten Formen der Erinnerung gewohnt - an Texte, Archive, und das ist der Versuch einer neuen Antwort."

Eine dieser Antworten ist die Videoinstallation von Olga Schitlina. Sie zeigt eine idyllische Bootsfahrt auf einem See. Erst auf den zweiten Blick entpuppt sich das Paddelboot als Sarg. Eine makabre Anspielung auf die Judendeportation durch die Nazis, die von diesen in Informationsblättern verharmlosend "Emigration" genannt wurde. Schitlina nimmt damit auch auf das heutige Russland Bezug: "Mir scheint dies der gegenwärtigen Situation in Russland oder einem Kriegszustand sehr ähnlich. Die schlimmsten Dinge werden mit neutralen Worten beschrieben, die die Gräueltaten kaschieren sollen."

Tatsächlich wird etwa in russischen Staatsmedien die aktive Rolle des Landes im blutigen Konflikt in der Ostukraine vertuscht. Propaganda ist auch das Stichwort für den österreichischen Künstler Hans Weigand. In einem Pavillon, der mit sowjetischen Propagandagesten übersät ist, hängt ein Porträt des Sowjet-Poeten Majakowski. Es wurde von einem Gefangenen im Gulag gestickt, der den Glauben an die Sowjet-Ideale nicht verloren hatte, so Weigand.

Die Folgen historischer Ereignisse zeigt der russische Künstler Heim Sokol auf. Er formt aus Gewehrkugeln Bleilettern. Kugeln schreiben Geschichte, sagt der Künstler und meint konkret die Erschießung eines jüdischen Revolutionärs 1848, der gegen die Monarchie kämpfte. Was in den Augen des Künstlers später zur Machtergreifung der Nazis führte. Noch heute müsse in Europa um Rechte und Freiheit gerungen werden, so Sokol, nicht nur in Russland: "Auch in Österreich gibt es rechtspopulistische Kräfte, die die Verschärfung vor allem der Kultur- und der Migrationspolitik fordern."

Während in Russland und anderen europäischen Staaten nationalistische Strömungen wachsen, soll das gemeinsame österreichisch-russische Kunstprojekt über die Grenzen hinweg verbinden, meint Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums Wien.

Service

Die Ausstellung "Tales of Two Cities" wird ab Jänner auch im Jüdischen Museum in Wien gezeigt.

Moscow Museum of Modern Art
Jüdisches Museum Wien