Lugansk in der Ostukraine: Winter naht

Monatelang tobten um die Stadt Lugansk heftige Kämpfe zwischen ukrainischen Belagerern und prorussischen Rebellen, die die Stadt ganz im Oste der Ukraine hielten. Wasser und Strom gab es nicht, die Versorgung mit Lebensmitteln wurde immer schlechter; mehr als die Hälfte der 450.000 Bürger flohen. Seit der Niederlage der ukrainischen Truppen Anfang September und mit dem Waffenstillstand sind die Gefechte weitgehend abgeflaut und langsam kehrt das Leben in die Stadt zurück. Doch gerade angesichts der bevorstehenden kalten Jahreszeit kämpft Lugansk mit enormen Problemen.

Mittagsjournal, 20.9.2014

Aus Lugansk, ORF-Reporter

Noch im August glich Lugansk einer Geisterstadt; vor allem die Bezirke im Zentrum und in der Nähe der umkämpften Stadtteile waren menschenleer; die meisten Märkte und Geschäfte hatten geschlossen. Nun regt sich im Zentrum wieder Leben. Händler bieten Obst und Gemüse feil, sogar Schnittblumen werden bereits wieder verkauft; noch immer geschlossen sind die meisten Einkaufszentren, während auf den Märkten ebenfalls wieder mehr Waren angeboten werden; dazu sagen die Verkäuferinnen Irina und Natalia:

„Vor zehn Tagen haben wir zum ersten Mal wieder Milch gesehen; auch Fleisch; wir hatten schon den Geschmack vergessen. Buchweizen, davon haben wir uns zweieinhalb Monate ernährt.“

Die Versorgung könnte noch viel besser, sein, doch die Bewohner haben viel zu wenig Geld; die Banken sind noch geschlossen, Löhne und Pensionen wurden in der Regel seit Juni nicht ausbezahlt; wer noch Ersparnisse hat, tauscht Devisen bei Straßenhändlern. Lange Schlangen bilden sich in Lugansk regelmäßig dort, wo russische Hilfsgüter verteilt werden; pro Person und Tag gibt es drei Fischkonserven, zwei Konserven mit geböckeltem Fleisch sowie je ein Kilogramm Reis, Zucker und Buchweizen. Begehrt ist diese Hilfe auch, weil die Preise für Lebensmittel binnen zwei Monaten drastisch gestiegen seien, erzählt Elena, die in der Schlange steht:

„Ein Wecken Brot ist jetzt doppelt so teuer; von 22 Cent auf 38 Cent; Zucker kostete 44 Cent jetzt mehr als einen Euro. Doch Löhne werden nicht ausbezahlt. Geholfen haben uns Freunde, Unternehmer, die uns Geld gegeben haben.“

Kaum oder schlecht funktionieren in Lugansk noch immer die Mobiltelefone; einen recht guten Empfang gibt es beim Denkmal für den sowjetischen Feldmarschall Woroschilow; dorthin gehen immer wieder Bewohner, wenn sie mit Freunden und Verwandten außerhalb der Stadt telefonieren wollen. Schrittweise verbessert sich in Lugansk die Infrastruktur insgesamt; das erleichtert auch die Arbeit der Krankenhäuser, wie der Kinderarzt Oleg betont,

„Seit drei Tagen haben wir wieder regelmäßig Strom und wir brauchen keinen Generator mehr. Eine zentrale Wasserversorgung gibt es noch nicht, doch wir bekommen Wasser mit Tankwagen. Gas hatten wir immer; da gab es keine Unterbrechung. Verbessert hat sich nun die Arbeit der Rettung; sie bringt jetzt die Patienten; früher kamen sie mit Privatautos.“

Am schlimmsten dran sind in Lugansk derzeit Menschen, die sich nicht selbst versorgen können und Bürger, die in zerbombten Wohnungen hausen müssen. Dazu sagt der „Sozialminister“ der sogenannten Volksrepublik von Lugansk, Wasilij Nikitin:

„Das größte Problem haben wir mit Baumaterialien für Dächer sowie Fensterglas und Fenstern. Zweitens brauchen wir warme Kleidung, weil wir so viele Menschen haben, die ohne ein Dach über dem Kopf geblieben sind. Sie leben in Studentenwohnheimen, wir versorgen sie, doch das reicht nicht aus.“

Gestern früh hatte es in Lugansk nur vier Grad Celsius; das zeigt, wie wichtig ein rascher Wiederaufbau ist, für den es derzeit aber noch kaum Anzeichen gibt.