10 Jahre departure: Kreativwirtschaft boomt
Die Kreativwirtschaft boomt und weist Wachstumsraten auf, von denen die europäische Gesamtwirtschaft nur träumen kann. In Wien gibt es seit nunmehr zehn Jahren departure, das Kreativzentrum der Wirtschaftsagentur Wien. Es unterstützt Unternehmen und fördert Kreativprojekte in der Bundeshauptstadt. Heute Abend feiert departure im Museum für Angewandte Kunst. Dort ist ab morgen die Jubiläumsausstellung "Tomorrow is…" zu sehen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 30.9.2014
Drei Beispiele
Was passiert mit dem Brot, das jeden Abend nach Geschäftsschluss in einer Bäckerei übrig bleibt? Was machen pflegebedürftige Senioren, die in eine Seniorenresidenz ziehen, mit ihrem Mobiliar und persönlichen Erinnerungsstücken? Was rettet man aus der 150 Quadratmeterwohnung, oder gar dem eigenen Haus in ein 30 qm Zimmer? Und wo soll die stetig wachsende Gemeinde der Wiener Fahrradfahrer eigentliche ihre Fahrräder abstellen? In den Gründerzeithäusern der Bundeshauptstadt sind Abstellplätze für Fahrräder jedenfalls nicht vorgesehen. Drei Fragen zu Problemen, die unsere Gesellschaft umtreiben, drei Antworten, die Wiener Kreativunternehmer entwickelt haben, drei Projekte, die vom Kreativzentrum departure gefördert worden sind.
Nachhaltigkeit und Überalterung
Kreativunternehmen, so departure-Leiterin Elisabeth Noever-Ginthör, setzen wichtige Impulse, wenn es um die großen Zukunftsfragen geht. Ganz oben auf der Liste: die Themen demografische Entwicklung (Stichwort: Überalterung der Gesellschaft) und Nachhaltigkeit. Dazu gehört die Reduktion des urbanen Verkehrs und eine grundlegende Veränderung im individuellen Mobilitätsverhalten: „Die Fahrrad-WG“ zum Beispiel, ein von departure gefördertes Projekt, will es Fahrradfahren in Wien leichter machen: „Bei der Fahrrad-WG geht es einerseits darum, Leerstände in den Erdgeschoß-Zonen zu reduzieren und andererseits geht es um das Problem, dass Abstellplätze für Fahrräder fehlen. Die Fahrrad-WG richtet Fahrrad-Garagen in leerstehenden Geschäftslokalen ein. Zudem soll die Fahrrad-WG ein Ort sein, wo sich Nachbarn treffen und austauschen.“ , so departure-Leiterin Elisabeth Noever-Ginthör.
Standortfaktor Kreativität
„Städte ohne Schwule und Rockbands verlieren das ökonomische Wettrennen.“ Kernige Sätze wie diese haben den US-amerikanischen Ökonomen Richard Florida berühmt und zu einer Art Guru von Stadtplanern und Standortpolitikern gemacht. Zu Beginn der Nullerjahre prägte Richard Florida den Begriff der „kreativen Stadt“ und der „kreativen Klasse“. Wenn eine Stadt ökonomisch wettbewerbsfähig sein will, so Floridas Kernthese, muss sie für die so genannte kreative Klasse attraktiv sein. Deren Merkmale sind: Ein hohes Bildungsniveau, vielfältige kulturelle Interessen und ein spezieller Lifestyle. In wenigen Jahren sind Richard Floridas Ideen bis zu führenden Politikern und Ökonomen vorgedrungen. Auch in Wien wurde 2004 mit departure eine eigene Agentur für die Kreativwirtschaft gegründet. Tatsächlich wird die Bedeutung Kreativwirtschaft in der Bundehauptstadt immer größer. “In Wien arbeiten 60.000 Menschen in der Kreativwirtschaft und zwar in 16.000 Unternehmen. 17,5 % der Wiener Wirtschaftsleistung werden von der Kreativwirtschaft erbracht.“, so departure-Leiterin Elisabeth Noever-Gunthör über die Kreativwirtschaft als Wirtschaftsmotor.
Der letzte Trumpf Europas?
In der Europäischen Union liegt der Umsatz der Kreativwirtschaft nach der Automobil, der Chemieindustrie und Nahrungsmittelindustrie an vierter Stelle. Doch nicht nur hohe Wachstumsraten versprechen der Kreativwirtschaft eine prosperierende Zukunft. Im Zeitalter der Globalisierung, in dem die industrielle Produktion längst nach Fernost abgewandert ist, werden die Kreativwirtschaften neben der Forschung und Entwicklung zum viel strapazierte Schlagwort und zum scheinbar letzten Trumpf Europas. Die Rede von einer lebendigen Kultur- und Kreativszene als Standortvorteil im internationalen Wettbewerb um Investoren und hoch qualifizierte Arbeitskräfte geht aber – zumindest manchmal – ins Leere, weil Asien längst nicht mehr nur die viel zitierte Werkbank der Welt ist und auch am Kreativsektor stark aufgeholt hat.
Der Lifestyle der Zukunft
Im Museum für Angewandte Kunst ist nun die departure- Jubiläumsausstellung „Tomorrow is…“ zu sehen. In einer multimedialen Präsentation werden 45 Projekte aus dem Bereich der Kreativwirtschaft vorgestellt. Projekte, die auf den Wandel unserer Gesellschaft reagieren. Zum Beispiel auf die Frage, wie wir unseren Lebensstil im Zeitalter der Ressourcenknappheit nachhaltig verändern können.